Jahresempfang der Aidshilfe NRW in Düsseldorf

Mit der Verleihung des Ehrenamtspreises "merk|würdig" an Mathias Häde von der Junkieselbsthilfe JES NRW und an den Kölner Juristen und HIV-Aktivisten Jacob Hösl stellte die Aidshilfe NRW die Entkriminalisierung und Entstigmatisierung der Menschen ihrer Zielgruppen in den Mittelpunkt ihres Jahresempfangs am 12. April im Düsseldorfer Maxhaus.

Bild: Podiumsgespräch beim Jahresempfang 2016 der Aidshilfe NRW

Podiumsgespräch beim Jahresempfang der Aidshilfe NRW. Von links: Ines Perea (Bundesministerium für Gesundheit), Dr. Hubert Wimber (LEAP - Law Enforcement Against Prohibition - Deutschland), Asli Sevindim (Journalistin) und Gisela Zohren (ehemalige Sexarbeiterin).

Bild: Arne Kayser, Landesvorsitzender der Aidshilfe NRW
Arne Kayser, Landesvorsitzender der Aidshilfe NRW

Landesvorsitzender Arne Kayser wies in seiner Rede auf konkrete Rechtseinschränkungen hin und verurteilte die strafrechtliche Verfolgung HIV-Positiver im Falle einer HIV-Infektion oder der bloßen Möglichkeit der Übertragung von HIV bei einvernehmlichem Sex. Er betonte: "Die Verantwortung für den Schutz vor einer HIV-Übertragung darf nicht allein bei den Menschen liegen, die von ihrer HIV-Infektion wissen!" Das Strafrecht sei kein wirksames Mittel der Prävention!

 

Bild: Dr. Hubert Wimber und Aslı Sevindim
Dr. Hubert Wimber und Aslı Sevindim beim Podiumsgespräch

Ähnliches äußerte auch Dr. Hubert Wimber, ehemaliger Polizeipräsident von Münster und heute Aktivist bei Law Enforcement Against Prohibition Deutschland. In der Podiumsdiskussion hob er deutlich hervor: "Die fast 20-prozentige Steigerung der Zahl an Drogentoten 2015 im Vergleich zum Vorjahr belegt das Versagen der restriktiven Drogenpolitik. Strafe erreicht hier nichts."

 

Das Podiumsgespräch leitete die Kölner Journalistin Aslı Sevindim , seit Kurzem auch Kuratoriumsmitglied der Aidshilfe NRW.

 

Bild: Gisela Zohren
Gisela Zohren

Die ehemalige Sexarbeiterin Gisela Zohren wandte sich gegen das von den Berliner Regierungsfraktionen auf den Weg gebrachte "so genannte Prostituiertenschutzgesetz" (O-Ton Zohren), das eher vom Geist der Kontrolle über Menschen in der Sexarbeit geprägt sei als von deren Schutz. "Verordnete Aufklärung durch die Ämter verhindern in keinem Fall Missbrauch und Ausbeutung nach Deutschland verschleppter Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter".
Regine Heider von der Düsseldorfer Flüchtlingshilfe STAY! beklagte die mangelhafte medizinische Versorgung nach Deutschland geflüchteter Menschen. "Flüchtlingen stehen nach wie vor nicht die Angebote der medizinischen Regelversorgung zur Verfügung. Das ist nicht nur ungerecht und gesundheitsschädlich, es diskriminiert die Menschen auch." Heider sprach sich deutlich gegen HIV-Zwangstests bei geflüchteten Menschen aus.

 

Bild: Ines Perea
Ines Perea

Ines Perea aus dem Bundesgesundheitsministerium bestätigte, dass in Deutschland HIV-Tests nur mit Zustimmung der Getesteten vorgenommen werden dürften. "Das einzige Bundesland, das Reihentestungen bei ankommenden Flüchtlingen durchführt, ist Bayern. Wie absurd das ist, zeigt sich darin, dass die Testergebnisse den allermeisten Getesteten nicht mitgeteilt werden können, weil sie inzwischen bereits in Unterkünfte gebracht wurden und von den Aufnahmestellen nicht mehr erreicht werden", beklagte Perea. Das Podium schloss mit der Forderung, bei allen gesetzlichen Regelungen den Menschen im Mittelpunkt des Handelns zu sehen, statt dogmatischen und ideologischen Vorstellungen Vorrang zu geben.

 

Bild: Mathias Häde
Mathias Häde

Mathias Häde, dem der Landesvorstand der Aidshilfe NRW den Ehrenamtspreis "merk|würdig" überreichte, ist seit über zwanzig Jahren ehrenamtlich für die JES-Selbsthilfe der Junkies, Ehemaligen und Substituierten tätig. Er begann sein Engagement in der Bielefelder JES-Gruppe und wirkte wesentlich daran mit, JES als offizielle Vertretung der Junkie-Selbsthilfe gegenüber dem Hilfesystem und der Stadt zu positionieren. Er ist Mitbegründer des Landesverbands JES NRW und gehört von Beginn an dem Landesvorstand an. Die Landtagsabgeordnete Dagmar Hanses betonte in ihrer Laudatio: "Es hat nie und es wird nie eine drogenfreie Gesellschaft geben. Ob das nun einige kritisieren, ignorieren, ändern wollen, Mathias Häde kümmert sich um die Bedingungen, die das Leben der Drogen gebrauchenden Menschen prägen."

 

Bild: Jacob Hösl
Jacob Hösl

Der zweite Preisträger Jacob Hösl engagiert sich seit nunmehr 30 Jahren ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen der Aidshilfe. Als Jurist hat er sich schon früh als Berater in Rechtsfragen für Klientinnen und Klienten der Aidshilfe Köln zur Verfügung gestellt und darüber hinaus den Verein rechtlich beraten. Er hat viel dazu beigetragen, dass juristische Spezialfragen geklärt oder Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden konnten. Seine Laudatorin Ines Perea stellte heraus: "Jacob Hösl ist bei all seinem Expertenwissen immer ansprechbar geblieben für jene, die eher eine Scheu gegenüber Gesetzen oder der Justiz hegen. Durch seine selbstverständliche Akzeptanz unterschiedlichster Menschen und ohne Standesdünkel hat er viel dazu beigetragen, dass sich Menschen trauen, ihre Rechte wahrzunehmen, sie einzufordern und damit auch persönliche und gesellschaftliche Realitäten zu verändern."

 

Bild: Ella Anschein
POETRY SLAM: Ella Anschein begeisterte die Gäste beim Jahresempfang der Aidshilfe NRW mit drei wunderbaren Gedichten
Bild: Aslı Sevindim
MODERATION: Aslı Sevindim, Journalistin beim WDR ("Aktuelle Stunde") und neues Kuratoriumsmitglied der Aidshilfe NRW leitete das Podiumsgespräch.

Text: Aidshilfe NRW | Fotos: Oliver Erdmann