Aidshilfe-Arbeit vor dem Aus?

Die Aidshilfe Düsseldorf schlägt Alarm: Die geplanten Kürzungen im NRW-Landeshaushalt für das Jahr 2025 bedrohten 40 Jahre Präventionsarbeit. Effektiv seien Mittelkürzungen von über 50 Prozent geplant. Auch die Landesfachstelle #MehrAlsQueer steht vor dem Aus.

Bild: Säge am Aidshilfe-Logo

Der geplante Landeshaushaltsentwurf 2025 mit Einsparungen von rund 35 Prozent im Bereich der HIV/STI-Prävention bedrohe die Beratungs- und Präventionsangebote der Aidshilfe Düsseldorf massiv. Mit weitreichenden Folgen für deren Zielgruppen. 40 Jahre erfolgreiche Präventionsstrukturen würden so nachhaltig beschädigt – und deutliche Kostensteigerungen im Gesundheitswesen zur Folge haben. Darauf weist die Aidshilfe Düsseldorf gemeinsam mit ihrem Landesverband in einer Pressemitteilung vom 26. September 2024 hin.

Dies bedeute konkret: Weniger sexuelle Bildung für Jugendliche, ein massiver Einbruch der Beratungs- und Präventionsangebote im Bereich HIV und STI, weniger Vor-Ort-Arbeit. Trotz steigender Infektionszahlen und sinkendem Wissensstand sehe der geplante Landeshaushalt für das Jahr 2025 Kürzungen in Höhe von 66.000 Euro für die Arbeit der Aidshilfe Düsseldorf vor (im Vergleich zu 2024) – und das zusätzlich zu einem bereits für 2024 reduzierten Budget in Höhe von 35.000 Euro (im Vergleich zu 2023).

 

Youthwork, Beratung und Vor-Ort-Arbeit in Gefahr

Die geplanten Kürzungen werden laut Aidshilfe eine massive Reduzierung der Angebote im Bereich Youthwork, für Menschen mit einer Migrationsgeschichte sowie im Bereich der Präventions- und Beratungsarbeit für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sowie für Frauen haben. „Der geplante Haushaltsentwurf 2025 bringt das Fass zum Überlaufen. Wir arbeiten bereits seit 2012 mit ständig reduzierten Stellenanteilen durch die gleichbleibenden, nicht an Tarif- und Kostensteigerungen dynamisierten Landesmittel. Effektiv bedeutet das seit unserer Gründung vor annähernd 40 Jahren eine Reduktion von über 50 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel“, so das Statement der Aidshilfe Düsseldorf.

Ein Beispiel: Im Bereich Youthwork bietet die Aidshilfe Düsseldorf sexuelle Bildung und Wissensvermittlung, Identitätsentwicklung und Präventionsarbeit im Bereich der sexuell übertragbaren Infektionen (STI) an. In kostenfreien sexualpädagogischen Workshops an Schulen und Jugendeinrichtungen steht vor allem die HIV/Aids-Prävention im Fokus, ebenso wie die Sexualerziehung und der Umgang mit Themen wie Pornographie, Sozialen Medien etc. Aktuell werden jährlich rund 100 Workshops angeboten. In Folge der Einsparungen könnten ab 2025 nur noch 65 Workshops und damit 500 junge Menschen weniger erreicht werden. Dabei zeigen aktuelle Studien der WHO und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), dass das Präventionswissen und -verhalten sowie der Kondomgebrauch bei Jugendlichen weiter rückläufig sind und die Zahlen der STI weiter steigen.

 

Einbruch der Beratung für vulnerable Zielgruppen

Auch in der aufsuchenden Vor-Ort- und Szene-Arbeit mit männlichen Prostituierten, schwulen und bisexuellen Männern (MSM) hätten die Einsparungen einen massiven Einbruch der Beratungsarbeit vor Ort zu Folge. Das Gleiche gilt für die Arbeit für HIV-positive Frauen und deren Familien – ein seit über 25 Jahren erfolgreiches, NRW-weites Projekt. „Die vorgesehenen Kürzungen sind aus unserer Sicht nicht nur unverantwortlich gegenüber unseren Zielgruppen, sondern sie werden in Folge eine deutliche Kostensteigerung im Gesundheitswesen bedeuten. Sie beschädigen erfolgreiche Strukturen, die über die letzten Jahrzehnte aufgebaut wurden, nachhaltig: im Bereich der Prävention, Integration, Antidiskriminierung und im Bereich des Ehrenamtes“, so die Aidshilfe Düsseldorf.

 

Sinkendes Präventionswissen - Steigende HIV-Zahlen

Die Anzahl der Menschen, die mit einer HIV-Infektion in Deutschland leben, steigt laut Robert-Koch-Institut (2023) auf 96.000 Personen. Auch in NRW setzten sich die bundesweiten Tendenzen fort, und es gibt einen leichten Anstieg auf ca. 22.100 Menschen, etwa 1.710 davon sind nicht diagnostiziert. Die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf gehört in Deutschland zu den besonders stark von HIV betroffenen Großstädten. Eine HIV-Infektion bedeutet weiterhin – obwohl heute gut behandelbar – eine Vielzahl von Belastungen im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich. HIV-Infektionen, die in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert werden, sind mit deutlich schlechteren gesundheitlichen Prognosen verbunden.

 

Logo: Mehr als Queer Fachstelle

Auch das Queere Netzwerk NRW protestiert gegen geplante Kürzungen

Wie der Dachverband Queeres Netzwerk NRW bereits am 17. September 2024 mitteilte, sieht der Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vor, die Finanzierung der Fachstelle #MehrAlsQueer ab Januar 2025 vollständig einzustellen.

Die 2019 gegründete Fachstelle #MehrAlsQueer sensibilisiert seit fünf Jahren mit nachweisbarem Erfolg zu den Themen Rassismus und Queerfeindlichkeit in ihrer Intersektion und bietet Fachberatung an. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auch auf der Vernetzung und dem Empowerment von queeren Schwarzen Menschen, queeren indigenen Menschen und Queeren People of Color sowie Schaffung von Safer Spaces. In fünf Jahren hat die Fachstelle 443 Beratungen sowie 99 Veranstaltungen durchgeführt. Allein mit den Empowerment-Workshops hat #MehrAlsQueer insgesamt 861 Teilnehmende erreicht. Damit ist #MAQ längst Ankerzentrum für queere Menschen mit Rassismus-Erfahrung sowie eine wichtige Anlaufstelle für Fachberatung und Sensibilisierung.

Laura Becker, Vorstandssprecherin des Queeren Netzwerks NRW, zeigt sich bestürzt über die geplante Streichung der Fachstelle: „#MehrAlsQueer ist unverzichtbar – für die Zielgruppen, für Queere Schwarze Menschen, Queere indigene Menschen und Queere People of Color, für Regelstrukturen der sogenannten Integrationsarbeit und für queere Strukturen, für queere Communities, für die Politik, letztlich für ganz NRW. Die Fachstelle ist die einzige Fachstelle in NRW, die explizit zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Migrationsgesellschaft arbeitet. Ihre Erfolgsgeschichte zu beenden ist absurd, verantwortungslos und sendet ein fatales Signal gerade in Zeiten, in denen Hass und Hetze gegen queere Menschen, Schwarze und People of Color zunehmen.“

 

Quellen: Aidshilfe Düsseldorf e.V. und Queeres Netzwerk NRW e.V. | Grafik "Säge": 13smok/Pixabay