Mit dem Ballettklassiker „Der Nussknacker“ zur Musik von Peter Iljitsch Tschaikowsky startet das Ballett am Rhein zwar etwas früh, aber dennoch ganz reizend in die Vorweihnachtszeit. Chefchoreograf Demis Volpi begeistert mit dem Stück das Düsseldorfer Publikum.
Auf einen zuckersüßen Klassiker wie diesen musste das Düsseldorfer Ballettpublikum viele Jahre lang warten, war das Ballett am Rhein unter Martin Schläpfer eher dem zeitgenössischen, modernen Tanz verpflichtet. Der seit der Spielzeit 2020/21 neue Ballettchef Demis Volpi versucht seit Amtsantritt den Spagat zwischen kurzweiligen Ballettabenden mit international gefragten Choreograf*innen und dem, was sich die Zuschauer*innen offenbar so lange gewünscht haben: Handlungsballette.
Mit „Geschlossene Spiele“ hatte Demis Volpi Anfang Oktober 2021 mit einem eigenen Stück vorgelegt, jetzt hat seine Choreografie von „Der Nussknacker“ am 23. Oktober 2021 im Düsseldorfer Opernhaus
Premiere gefeiert. Seine Version des Wintermärchens schuf er bereits 2016 für das Ballet Vlaanderen. Volpi erdachte es neu als vielschichtiges Coming of Age-Ballett, in dem ein Nussknacker zum
Mensch wird und ein Mädchen zur jungen Frau.
Für das Ballett am Rhein holte sich Demis Volpi vier seiner Tänzer*innen als junge Choreograf*innen sowie zwei Kreative des Kollektivs nutrospektif (Factory Artists des tanzhaus nrw) an seine Seite, die einige Teile neugestalten konnten. Das Bühnenbild und die wundervollen Kostüme von Katharina Schlipf und das großartige Orchester, die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Marie Jacquot, taten ein Übriges, um den Abend zu einem großen Fest für die ganze Familie zu machen.
Auf der Bühne sehnen sich die Kinder der Familie Stahlbaum dem ersten Blick auf den festlich geschmückten Weihnachtsbaum entgegen. Oma und Opa, Tanten und Onkel, alle sind gekommen, um gemeinsam
zu feiern. Auch der düstere Pate Drosselmeier gibt sich die Ehre, fungiert als Familienfotograf und hat für Clara ein besonderes Geschenk im Gepäck: einen Nussknacker. Das hölzerne Spielzeug
zieht Clara in ihren Bann und sie kann es nicht lassen, in der Nacht einen weiteren Blick auf ihn zu erhaschen. Sie taucht ein in eine Traumwelt, in welcher der Nussknacker zum Leben erwacht. Mit
Hilfe ihres Paten beschreitet Clara zunächst zögerlich, dann aber immer zielstrebiger den Weg vom kindlichen ins Erwachsenenleben.
Clara muss sich gegen eine Schar riesiger Mäuse zur Wehr setzen, die die Choreografinnen Bahar Gökten und Yeliz Pazar vom Kollektiv nutrospektif mit den Attributen der Familienmitglieder ausgestattet haben. Auch beim „Spanischen Tanz“ (Choreografie: Neshama Nashman) zeigt sich die zunehmende Emanzipation Claras im Umgang mit ihrer Mutter. Märchenhaft sind dann wieder die Tänze von Schneeflocken, Glühwürmchen, Blumen und Cupcakes. James Nix‘ Choreografie begeistert das Publikum mit seinen leuchtenden Köpfen, die in gekonnten Formationen über die Bühne schweben. Michael Foster greift in seinem Part tief in die Kostüm-Schatzkiste und lässt wundervoll ausgestattete Cupcakes und eine riesige Torte über die Bühne tanzen.
Am Ende wird die Beziehung zwischen Clara und ihrem neuen Freund, dem Nussknacker, jetzt aus Fleisch und Blut, immer inniger. Schöne Pas de deux von Paula Alves (Clara) und Gustavo Carvalho (Der
Nussknacker) verdeutlichen dies. Und schließlich wird beim weihnachtlichen Frühstück ein weiterer Stuhl an den Familientisch gestellt – und damit ein neues Familienmitglied aufgenommen. Eine
schöne Inszenierung mit Happy End, das so weder in dem Märchen „Nussknacker und Mäusekönig“ von E.T.A. Hoffmann (von 1816), noch in dem ursprünglichen Libretto zu Tschaikowskys Ballett oder in
späteren Bearbeitungen vorkommt. Ein gelungener Schluss für ein gut durchdachtes und sehenswertes Ballettstück.
Weitere Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf im Oktober und November sind bereits ausverkauft. Im Dezember und Januar ist das Stück im Theater Duisburg zu sehen. Nach Düsseldorf kehrt es im Februar 2022 zurück: Fr 18.02. (19.30 Uhr), So 20.02. (18.30 Uhr), Do 24.02. (19.30 Uhr)
Infos unter www.operamrhein.de
Text: Oliver Erdmann | Bericht zur Aufführung am 29.10.2021