Mit seinem Programm b.41 präsentiert das Ballett am Rhein einen fast schon wehmütigen Abend im Zeichen von Abschied, Tod und Trauer. Neben Choreografien von Jiří Kylián und Martha Graham ist die letzte Düsseldorfer Uraufführung von Martin Schläpfer zu erleben.
Die Spielzeit 2019/2020 hat gerade erst an Fahrt aufgenommen, da wird schon deutlich, dass Ballettchef Martin Schläpfer allmählich seinen Abgang vorbereitet. Bevor er sich im Sommer 2020 von seiner Compagnie verabschiedet und als neuer Leiter zum Wiener Staatsballett wechselt, hat er nun für b.41 mit „Cellokonzert“ seine letzte Choreografie für das Düsseldorfer Ballett auf die Bühne gebracht.
Zur Musik von Dmitri Schostakowitsch (Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 126) lässt Schläpfer sein gesamtes Ensemble tanzen. Vor dem etwas rätselhaften Bühnenbild von Marcus
Spyros Bertermann und in schnörkellosen Kostümen von Hélène Vergnes zeigen die Tänzer*innen eine Art „Best of Martin Schläpfer“. Seine choreografische Handschrift, die Betonung von Hand- und
Fußbewegungen und die gekonnte Herausstellung einzelner Tänzer*innen gefolgt von großen Ensemble-Szenen ist deutlich erkennbar. Doch das neue Werk von Schläpfer ist so komplex, dass der Funke
nicht so recht überspringt. Der Applaus bleibt am Ende des Ballettabends daher auch eher freundlich als begeistert.
Zuvor erleben die Zuschauer*innen das Stück „Forgotten Land“ von Jiří Kylián zur Musik von Benjamin Britten (1913-1976). Die „Sinfonia da Requiem“ entsprang dessen Kindheitserinnerungen an die raue Landschaft an der englischen Nordsee, die unbändige Kraft des Meeres und die Todesängste während der Luftangriffe der Deutschen im Ersten Weltkrieg. Der tschechische Choreograf Jiří Kylián ließ sich von Brittens Musik, aber auch von Edvard Munchs berühmtem Gemälde „Tanz des Lebens“ inspirieren. 1981 kreierte er sein Tanzstück für zwölf Tänzer*innen als Hommage an vergessene Menschen und Zeiten. Das Publikum ist begeistert – von der beeindruckenden Choreografie und von den sechs Tanzpaaren, die zu Höchstleistungen auflaufen.
Im Mittelteil von b.41 zeigt das Ballett am Rhein zwei Stücke der US-amerikanischen Choreografin Martha Graham (1894-1991), die als Pionierin und Grande Dame des modernen Tanzes in die Tanzgeschichte eingegangen ist. 1930 präsentierte sie selbst auf einer Bank sitzend und in einem Stoffschlauch gefangen ihre nur vierminütige Arbeit „Lamentation“, mit der sie ihren künstlerischen Durchbruch schaffte, aber das Publikum auch in zwei Lager spaltete. Martha Grahams Bewegungssprache schockierte die Einen und berührte die Anderen – bis heute. Die Tänzerin Camille Andriot erhielt großen Beifall für das Sitz-Tanz-Solo. Das zweite Stück – „Steps in the Street“ zur Musik „New Dance“ von Wallingford Riegger – wurde 1936 uraufgeführt. Zu Beginn desselben Jahres hatte Martha Graham eine Einladung zu den Olympischen Spielen in Berlin aus politischen Gründen ausgeschlagen und schuf nun ein bewegendes Tanzstück für zehn Tänzerinnen, das bis heute als eindringliche Warnung vor den Folgen von Faschismus, Verfolgung und Krieg gelten kann.
Auch wenn die Thematiken eher düster daherkommen, der Ballettabend b.41 ist eine beeindruckende Werkschau großer Choreograf*innen. Unbedingt sehenswert!
Wieder zu erleben im Opernhaus Düsseldorf am Do 19.12., Sa 28.12., Do 16.01. und Fr 17.01. jeweils von 19.30 bis 22.00 Uhr.
Infos und Tickets: www.operamrhein.de
Text: Oliver Erdmann