Das Ballett am Rhein widmet sich in seinem neusten Programm, das am vergangenen Samstag Premiere feierte, dem populären Genre True Crime. Drei sehr unterschiedliche Choreografien gehen Fragen nach Wahrheit und Fiktion auf den Grund.
Mit „True Crime“ nähert sich das Ballett am Rhein erstmals in getanzter Form einem Genre, das in den vergangenen Jahren als Podcast und auf dem Buchmarkt immer beliebter geworden ist und „wahre Verbrechen“ beleuchtet. Es sind drei verschiedene Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion, die der neuste Ballettabend für das Publikum bereithält. Die Choreograf*innen Andrey Kaydanovskiy, Hege Haagenrud und Demis Volpi setzen dabei ihren ganz eigenen Fokus auf das Zusammenspiel von Täter, Opfer und Ermittler.
Andrey Kaydanovskiys Auseinandersetzung mit dem Thema True Crime trägt den Titel „Chalk“ und spielt an einem verlassenen Tatort. Dem Raum fehlt jedoch seine untere Hälfte, dort ist lediglich ein Kreideumriss zu sehen, auch die Leiche fehlt. Vier Tänzer*innen schlüpfen abwechselnd in die Rolle des Opfers, des Täters oder des Ermittlers. Bei dem Versuch der Rekonstruktion des Verbrechens und ihrer Suche nach der Wahrheit scheinen sich jedoch mehr Fragen zu eröffnen als Antworten zu finden. Das Stück des russischen Choreografen Andrey Kaydanovskiy, der in Wien lebt und arbeitet, ist das Highlight des dreiteiligen Abends.
Die norwegische Choreografin Hege Haagenrud beleuchtet in ihrem Stück „The Bystanders“ die Rolle der unbeteiligten Zuschauenden am Ort des Verbrechens. Zu hören sind Tondokumente von Zeugenaussagen oder aus YouTube-Videos, die von den Tanzenden virtuos in eine von Haagenrud entwickelte Zeichensprache übersetzt werden. Die in lange, steife Roben gekleideten Tänzer*innen mit Richter*innen-Perücken scheinen dabei regelrecht über die Bühne zu schweben. Eine beeindruckende, aber auch etwas langatmige Performance, die ganz ohne Tanz auskommt und irgendwie besser auf eine andere Bühne passen würde als ins Opernhaus.
Im Zentrum von Demis Volpis Choreografie „Non-Fiction Études“ steht der amerikanische Autor Truman Capote, der mit seinem 1966 erschienenen und auf Tatsachen basierenden Roman „Kaltblütig“ als Pionier in der literarischen Verarbeitung von „True Crime“ gilt. Das Stück des Deutsch-Argentiniers beschäftigt sich mit dem Leben Trumans und seinem schriftstellerischen Schaffen. Volpi kreiert ein neo-klassisches Ballett mit 13 Tänzer*innen in roten Kostümen zur recht schwierigen Musik von Sergei Rachmaninow (am Klavier: Aleksandr Ivanov). Leider bleibt das Bühnenbild statisch, und auch die Tanzsprache kommt eher eintönig daher.
Auch wenn die Choreografien im Einzelnen nicht besonders begeistern können, machen das Bühnenbild von Sebastian Hannak, die Kostüme von Bregje van Balen und das Sounddesign von Christoph Kirschfink den Dreiteiler zu einer runden Sache. Das Premierenpublikum am 9. März 2024 spendet langanhaltenden Applaus.
Für das Ballett am Rhein ist dies das vorletzte Programm unter seinem Ballettdirektor und Chefchoreografen Demis Volpi, der mit der nächsten Spielzeit ans Hamburger Ballett wechselt. Ab Sommer 2024 übernehmen Bridget Breiner als Chefchoreografin und Raphaël Coumes-Marquet als Ballettdirektor gemeinsam die Führung der aus 45 Tänzer*innen bestehenden Compagnie.
Weitere Aufführungen im Düsseldorfer Opernhaus: Fr. 05.04.2024 (19.30 – 21.45 Uhr), Fr. 12.04.2024 (19.30 – 21.45 Uhr), So. 14.04.2024 (18.30 – 20.45 Uhr), Sa. 20.04.2024 (19.30 – 21.45 Uhr), Di. 30.04.2024 (19.30 – 21.45 Uhr)
Infos: www.operamrhein.de
Text: Oliver Erdmann | Quelle: Deutsche Oper am Rhein