Als homosexuell verfolgt

In seinem Buch gibt der österreichische Historiker und Leiter des Forschungszentrum QWIEN Andreas Brunner einen tiefen Einblick in das Leben von Homosexuellen in der NS-Zeit. „Als homosexuell verfolgt“ ist ein eindrucksvolles Werk.

Bild: Buchcover "Als homosexuell verfolgt"
© Mandelbaum Verlag

Seit 2009 befasst sich das Zentrum für queere Geschichte in Wien, kurz QWIEN, mit der Verfolgung queerer Menschen in der österreichischen Hauptstadt – insbesondere zur NS-Zeit. Andreas Brunner ist gemeinsam mit Hannes Sulzenbacher Leiter des Forschungszentrums QWIEN. Seit Jahren beschäftigt sich der Historiker mit den Biografien von queeren Menschen, die wegen ihrer Homosexualität verfolgt wurden. In Stadtspaziergängen berichtet er anschaulich über das Schicksal der Menschen, die zur Zielscheibe der Nazis in Wien wurden.

 

Intensiv hat Andreas Brunner die Strafakten der Menschen erforscht, die wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen verfolgt wurden. Um jedoch die Lebensgeschichten und biografischen Zusammenhänge zu rekonstruieren, muss man die Gerichts- oder Gestapo-Akten „gegen den Strich“ lesen und zwischen den Zeilen interpretieren, um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Denn die Sprache der Dokumente ist abwertend, weil die Verfolgten nicht dem „gesunden Volksempfinden“ entsprachen und aus der Gesellschaft ausgestoßen waren. Bis heute konnten über 1.400 männliche und rund 80 weibliche Personen nachgewiesen werden, die nach dem Paragrafen 129 Ib, dem österreichischen Pendant zum deutschen Paragrafen 175, verfolgt wurden. Nach aktuellem Forschungsstand waren über 100 Männer in ein Konzentrationslager eingewiesen worden; nicht einmal 30 Prozent von ihnen überlebte.

 

Die Geschichten von etwa 50 Verfolgten werden in diesem Band erzählt, meist sind es sogenannte „kleine“ Menschen, die in einem von Armut und Erwerbsdruck gezeichneten Alltag ihre Sexualität zu leben versuchten. Viele waren an Politik desinteressiert, manche aber auch Mitglieder in nationalsozialistischen Organisationen oder rassistischen Verbänden. Einzelne waren jüdischer Herkunft. Bis heute sind all diese Biografien Marginalien der Stadtgeschichte Wiens oder werden als solche behandelt. Dieses aufwendig illustrierte, biografische Lesebuch will diesen Zustand ändern.

 

Andreas Brunner

Als homosexuell verfolgt. Wiener Biografien aus der NS-Zeit

ca. 224 Seiten, Format: 20 x 26 cm, schweizer Broschur mit zahlreichen farbigen Abb., 25 Euro

ISBN: 978399136-017-9

Erschienen im April 2023

 

Text: Oliver Erdmann