In Gucci zu Netto

In Maurizio Onanos supercooler Graphic Novel mit dem witzigen Titel „In Gucci zu Netto“ geht es um die Alltagssorgen eines jungen Schwulen mit Minderwertigkeitskomplex. Kurzweilig und durch und durch empfehlenswert.

Bild: Buchcover "In Gucci zu Netto"
© Jaja-Verlag

Schon der Prolog „Männer und Autos“ ist großartig: Der schwule Mittzwanziger Fabian verzweifelt an einer Parklücke, während er von zwei autofahrenden Frauen gedisst wird. Es folgen acht Kapitel (unterbrochen durch kurze 1-seitige Zäsuren), in denen es etwa ums Zurechtmachen für den Supermarkteinkauf geht oder um den alltäglichen Sexismus, den der Protagonist bei seinem Job als Florist in einem Blumenladen oder als Umzugshelfer bei seinen lesbischen Freundinnen über sich ergehen lassen muss.

 

Fabians Sexleben ist geprägt von One-Night-Stands mit meist unpassenden Sexpartnern, die er via Dating-App kennenlernt. Zum Beispiel mit einem zunächst begehrenswerten Michelin-Männchen, das ihn jedoch gleich nach dem Orgasmus unbefriedigt zurücklässt. Darüber hinaus erfährt der*die auch noch so Szene-fremde Leser*in viel über die Lebens- und Leidenswelt von schwulen Männern im Großstadtdschungel. Geschickt streut der Autor hierzu ein paar Erläuterungen ein.

 

Emotional wird’s dann im letzten Kapitel: Fabian erzählt seiner besten Freundin von seinen ersten Sexerfahrungen. Für ein kleines Taschengeld hatte er als Fünfzehnjähriger Sex mit einem älteren Mann. Ein berauschendes Erlebnis, das schnell in lähmende Scham umschlug. „Ich habe unsägliche Dinge mit mir machen lassen“, erzählt Fabian. Doch seine empathische Freundin findet die richtigen Worte für ihn. Im Epilog folgt dann die hoffnungsvolle Selbsterkenntnis: „Du bist genug. Unperfekt, aber genug.“

 

Maurizio Onano, 1991 in Lippstadt geboren, erzählt in seiner Graphic Novel von eigenen Erfahrungen als schwuler, erwachsener Single und der Homophobie, mit der er im Alltag konfrontiert ist. Geschlechterklischees bzw. internalisierter Sexismus werden in dem Comic wunderbar parodiert. Das Ganze ist charmant verpackt in eine witzige, moderne, ent-romantisierte Dating-Geschichte auf der Suche nach dem eigenen Selbstwert.

 

Der in Essen ansässige Autor hat dort vor fünf Jahren seinen Master an der Folkwang Universität mit dem Schwerpunkt Illustration und visuelles Erzählen abgeschlossen. Seitdem arbeitet er als freiberuflicher Illustrator und hat sich auf visuelles Storytelling spezialisiert. Das beherrscht Maurizio Onano auf ganz hervorragende Art und Weise. Im Berliner Jaja-Verlag sind bereits die Graphic Novels „Oma Herbert“ und „Alles rosa“ erschienen.

 

In Gucci zu Netto

Maurizio Onano

Jaja Verlag | ISBN 978-3-948904-56-2

Softcover, 80 Seiten in Farbe, 16 Euro

 

Text: Oliver Erdmann