Zwei Kunst-Rheinbahnen sind ab sofort anlässlich des 5-jährigen Bestehens der Kunstkommission in Düsseldorf unterwegs. Eine Tram hat der queere Fotokünstler Christoph Westermeier gestaltet und zeigt seinen „campen“ Blick auf die Stadtkunst.
Die Kunstkommission der Landeshauptstadt Düsseldorf hat vor fünf Jahren ihre Arbeit aufgenommen. Begleitet hat sie u.a. den Entstehungsprozess des LSBTIQ*-Denkmals auf der Apollowiese. Schon
damals hat sich Christoph Westermeier in der Kunstkommission engagiert. Jetzt bekam der schwule Düsseldorfer Künstler den Zuschlag für die Gestaltung einer der beiden Jubiläumsbahnen.
Christoph Westermeiers Entwurf "Übersehensicht" geht dem Phänomen des Übersehenwerdens nach und zeigt eine Auswahl von Kunstwerken des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im öffentlichen Raum der
Landeshauptstadt Düsseldorf. Etwa die Skulptur „Aufsteigender Jüngling“ von Georg Kolbe aus dem Jahr 1933 im Ehrenhof oder den „Industriebrunnen“ von Fritz Coubillier von 1911/1939 auf dem
Fürstenplatz.
Der Fotokünstler macht darauf aufmerksam, dass viele Kunstwerke im öffentlichen Raum nicht mehr wahrgenommen werden – sei es, weil sie übersehen werden, überwachsen oder zu selbstverständlich
geworden sind. Die Sichtbarkeit ist aber eine Voraussetzung für eine zeitgenössische, auch kritische Betrachtung und Bewertung von historischen Werken, die heute anders eingeordnet werden als
noch zu ihrer Entstehungszeit.
Sein Rheinbahn-Entwurf kombiniert Bilder von Details ausgewählter Skulpturen im öffentlichen Raum Düsseldorfs mit einem leuchtenden Band, das an einen sommerlichen Sonnenuntergang am Rhein
erinnert. Die Fotos mit Körperteilen, extremen Perspektiven oder Materialdetails geben Hinweise auf die Skulpturen, meist ohne ihre Identität preiszugeben.
Christoph Westermeier verrät im Gespräch mit Düsseldorf Queer, dass ihm wichtig gewesen sei, den Blick zu zeigen, den er als schwuler Mann auf die städtische Umgebung hat. Er sagt: „Dass ich
dabei eine gewisse Faszination für das Körperliche nicht vermeide, ist offensichtlich. Vielmehr betone ich es und mache deutlich, mit welch lustvoller Körperlichkeit unsere Städte möbliert
sind.“
Westermeier: „Ich stehe zu meinem „campen“ Blick und folge dabei den Eigenschaften, die Susan Sontag in ihrem bahnbrechenden Essay 1964 beschrieben hat.“ Die Kunstkritikerin Sontag hatte damals
den Zusammenhang zwischen „Camp“ (laut Wikipedia eine stilistisch überpointierte Art der Wahrnehmung kultureller Produkte aller Art) und Homosexualität hergestellt. „Camp“ hat im Englischen u.a.
die Bedeutung „affektiert“ oder „kitschig“.
Als zweite Komponente von "Übersehensicht" hat Christoph Westermeier Texte zu den Arbeiten geschrieben, die auf seiner Website nachzulesen sind. „Diese Texte zeigen, welches Problem wir beispielsweise bei der zeitgemäßen Einordnung eines Georg Kolbe
haben und wie absurd das Männerbild des späten 19. Jahrhunderts war. Ich spreche dabei bewusst problematische Fälle wie Bismarck, den Deutsch-Französischen Krieg und die Nicht-Sichtbarkeit von
Frauen an.“
Für die Realisierung der Kunst-Straßenbahnen wurden im Rahmen eines Wettbewerbs zwei Entwürfe ausgewählt. Neben Westermeier kam der Künstler Andreas Siekmann aus Berlin zum Zuge. Sein Entwurf
"Standard & Poors" verweist mit Figuren und deren Attributen auf verschiedene Rollen und Berufe innerhalb unserer Gesellschaft, vor allem auf die Migrationspolitik und deren Auswirkungen auf
Arbeitsverhältnisse.
Am 24. Juni 2023 wurden die beiden Kunst-Bahnen von Klaus Klar, Rheinbahn-Vorstandsvorsitzender, Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration, und Heike van den Valentyn, Vorsitzende der
Kunstkommission, gemeinsam mit den beiden Künstlern vorgestellt.
Text: Oliver Erdmann | Quelle: Pressedienst der Landeshauptstadt Düsseldorf