Ein Aktivist – aber auf eine leicht seltsame Art

Pünktlich zum diesjährigen CSD-Wochenende werden auf der Apollowiese der Düsseldorfer LSBTIQ*-Erinnerungsort eröffnet und die Bronzefiguren des Kölner Künstlers Claus Richter enthüllt. Düsseldorf Queer sprach mit Claus Richter über seine Arbeit.

Bild: Claus Richter
Claus Richter hat für den "Ort für die Erinnerung und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt" eine Bronzeplastik geschaffen, die am 15. Oktober 2021 auf der Apollowiese enthüllt wird. // Foto: Oliver Erdmann

Am 15. Oktober 2021 wird dein Kunstwerk „Ein seltsam klassisches Denkmal“ am Rheinufer enthüllt. Es ist deine erste Bronzeplastik im öffentlichen Raum. Wie gespannt bist du, wie würdest du deine Empfindungen im Hinblick auf den großen Tag beschreiben?


Für mich und für alle Menschen, die mitgearbeitet haben, war es ein langer Weg. Daher bin ich sehr aufgeregt. Und da es um ein sehr wichtiges Thema geht, freue ich mich sehr, dass wir es hinbekommen haben, nun wirklich einen Ort zu schaffen, an dem eine lebendige Erinnerungspraxis sichtbar und präsent sein kann.

Wie würdest du selbst dein bisheriges künstlerisches Schaffen beschreiben? Wie hat der Wettbewerb deine eigene Kunst erweitert?


Ich habe viel gelernt, und viele Menschen kennengelernt, das ist so toll an meinem Job. Eigentlich arbeite ich ästhetisch ganz anders, ich bastele viel und baue Kulissen, Figuren, und man könnte sagen, es geht etwas spielerischer zu. Aber was immer auch in meinen anderen Arbeiten auftaucht, ist eine Sehnsucht nach Gemeinschaft, eine Trotzhaltung gegen Vereinzelung und Hierarchien. Das ist mir durch viele Gespräche klar geworden, dass es da große Überschneidungen gibt zu dem Projekt jetzt, so weit ist es alles nicht voneinander weg, auch wenn es erstmal so aussehen mag.

Hat deine Kunst – jenseits des Denkmals – eigentlich eine queere Komponente?


Es gibt immer eine Art schwebende Identität in meinen Figuren, das ist weniger dezidiert schwul als eher eben fluid. Meine Sexualität strahlt aber grundlegend eher weniger konkret auf meine Arbeit ab, was nicht heißt, dass ich sie verdecke. Ich bin schwul und das prägt meine Sicht auf die Welt enorm.

 

Bild: Gipsmodell des LSBTIQ-Denkmals
Im Atelier des Künstlers Claus Richter entstanden zunächst die lebensgroßen Gipsmodelle, bevor die Figurengruppen in Bronze gegossen werden konnte. // Foto: Claus Richter

Wie hast du dich im Vorfeld zu deinem Entwurf mit der Verfolgungs- und Emanzipationsgeschichte der LSBTIQ*-Community auseinandergesetzt – oder musstest du das gar nicht?


Ich war früher oft auf den CSDs in Frankfurt, wo ich lange gewohnt habe. Wir hatten sogar einen eigenen Wagen, eine Gruppe von Freunden hat den organisiert und ich habe anfangs mit einem guten Freund die T-Shirts für uns alle gemacht. Der Wagen hieß „Chice Vera“ als humoristische Anlehnung an Che Guevara, wir waren also eine etwas seltsame, spleenige Splittergruppe zwischen all den anderen Gruppen. Das war wundervoll, es war sehr offen und ging eben auch darum, diese oft schon ein bisschen eingerosteten Strukturen und Cliquen in der Community aufzubrechen. Wir waren einfach schwer zuzuordnen, wollten aber eben auch gern dabei sein. Einmal ist unser klappriges Schrottgefährt mitten auf der Strecke liegengeblieben und ein riesiger kommerzieller Wagen voller halbnackter eingeölter Muskelmänner musste wie in so einem ewigen Loop aus Disco-Gay-Party-Klischee hinter uns warten mit Musik und Strobos und Nebel und wir davor, ein versprengter Haufen Spinner mit einem qualmenden alten Auto. Das war ein Bild, was irgendwie bezeichnend war. Ich würde also sagen, ich war immer schon ein Aktivist, aber eben eher auf eine leicht seltsame Art.

Wann und wo war eigentlich dein erster Christopher Street Day?


Das war, wie gesagt, in Frankfurt, so Ende der Neunziger. Dass die Enthüllung meines Kunstwerks am CSD-Wochenende in Düsseldorf ist, finde ich total spitze. Besser geht es kaum.

Die Düsseldorfer LSBTIAQ*-Community hatte sich einen lebendigen Erinnerungsort statt eines Mahnmals gewünscht. Ist dein Helden-Denkmal ein Kompromiss?


„Mahnmal“ und „lebendiger Erinnerungsort“ sind beides eben erst einmal Begriffe. Der Ort liegt mitten auf einer lebendigen Wiese am Rhein und lädt ein, sich dort zu versammeln und ganz lebendige Erinnerungsarbeit zu betreiben. Ich als Künstler kann ja nicht erzwingen, dass da an einem von mir entworfenen Ort plötzlich jemand aktive Erinnerungsarbeit macht oder nicht. Das Angebot ist auf jeden Fall da und ich finde den Ort sehr gut, um sich zu treffen und ihn aktiv zu nutzen. Und ich hoffe sehr, dass das auch passieren wird. Das wäre das Schönste.

 

Fragen: Oliver Erdmann