Mitte Februar präsentiert der Düsseldorfer Fotograf und Design-Student Moritz Leick seine Filmdokumentation „Die Ehe der Herren Schultze“. Im Fokus steht eine über 40-jährige schwule Partnerschaft und die Unrechtsgeschichte des Paragrafen 175.
Moritz Leick (2. v. l.) mit seinen Protagonisten Toon und Kurt
Moritz Leick ist ausgebildeter Fotograf. Im Rahmen seines Kommunikationsdesign-Studiums an der Hochschule Düsseldorf legt er nun mit der Filmdoku seine Bachelorarbeit vor. Vor ausgewähltem Publikum, seinen Prüfern und den Protagonisten seines 45-minütigen Films feiert sein Werk am 13. Februar 2018 im BlackBox-Kino im Düsseldorfer Filmmuseum Premiere.
Es geht um das Leben und die Liebe von Kurt Schultze (79) und Toon van Irsel (82). Das schwule Paar lebt seit rund 40 Jahren zusammen in Düsseldorf-Oberkassel. Seit 2007 sind sie
verpartnert. Kennengelernt haben sich die beiden aktiven Pensionäre 1975 in Nimwegen. Der angehende Augenarzt Kurt besuchte dort einen Medizinerkongress und lernte in einer kleinen Schwulenbar,
dem Wallstreet-Club, den niederländischen Kunsthändler Toon kennen. Die beiden verliebten sich und führten zunächst eine Wochenendbeziehung. Dann zogen sie in eine gemeinsame Wohnung, in der sie
noch heute zu Hause sind.
In seiner Filmdokumentation beleuchtet Moritz Leick das Leben der beiden auf einfühlsame Weise. Es brauchte einige Zeit, bis der 30-Jährige sich dazu durchringen konnte, das Paar um seine
Zustimmung zum Filmprojekt zu fragen. „Mir war klar, es wird intime Momente geben und Erinnerungen, die wachgerufen werden“, sagt Moritz Leick. Er kannte Toon aus seinem Schwimmverein, den
Düsseldorf Dolphins, und er wusste, dass Kurt eine ganz besondere Lebensgeschichte zu erzählen hatte. „Zuerst war ich etwas verschüchtert“, sagt Moritz, doch dann sagten die beiden zu – ohne groß
darüber nachzudenken. Es folgten rund 30 Drehtage.
Kurt Schultzes Geschichte ist die der staatlichen Schwulenverfolgung und des Paragrafen 175, der erst 1994 aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen wurde. Als 23-jähriger Medizinstudent in Wien (auch in Österreich stand damals Homosexualität unter Strafe) wurde Kurt 1961 beim Besuch einer Klappe verhaftet und wegen „Unzucht unter Männern“ zu einer mehrwöchigen Einzelhaft verurteilt. Zurück in Deutschland konnte er sein Studium zwar beenden, doch bereits bei seiner ersten Bewerbung wurde ihm der negative Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis zum Verhängnis. Kurt Schultze, der sich schließlich als Augenarzt in Düsseldorf niederließ, kann von vielen weiteren Malen berichten, bei denen ihm in seiner beruflichen Laufbahn wegen seiner Homosexualität Steine in den Weg gelegt wurden.
Moritz Leick nähert sich dieser negativen Lebenserfahrung mit viel Empathie. Sein Film ist – nicht zuletzt dank der Unterstützung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld – aufwändig produziert. Er
arbeitet mit Drohnentechnik und Trickfilmsequenzen, etwa an den Stellen, an denen es um persönliche Erinnerungen geht. Besonders intensiv wird die Auseinandersetzung mit der
§175-Thematik durch die gemeinsame Reise von Moritz und dem Ehepaar Schultze im November 2017 nach Wien. Im dortigen Stadtarchiv konnten sie Einblick nehmen in Kurts Strafakte. Über 100
Seiten, akribisch beschrieben und mit unzähligen Stempeln versehen – eine Wahnsinnsarbeit wegen eines damals strafbewehrten Vergehens: Sex zwischen zwei erwachsenen Männern.
Nach der Erstaufführung im Februar plant Moritz Leick, seine Filmdokumentation „Die Ehe der Herren Schultze“ auch bei Filmfestivals zeigen. Bis dahin gibt es hier den Trailer zum Film zu sehen.
Die Ehe der Herren Schultze. Ein Film von Moritz Leick.
„Kurt und Toon leben seit über vierzig Jahren als schwules Paar zusammen. Die beiden sehr aktiven Rentner führen ein gemütliches Leben, geprägt von gemeinsamen Reisen, einem großen Freundes-
und Bekanntenkreis und einer Menge sozialem Engagement.
In diese gefällige Situation bricht etwas Unerwartetes: Deutschland beschließt 2017 die Rehabilitierung und Wiedergutmachung gegenüber der juristisch verfolgten schwulen Männer nach 1945.
Dies provoziert bei Kurt ein Déjà-vu, denn auch er wurde vor über 55 Jahren als junger Student in Wien verurteilt und eingesperrt. Er beschließt, sich seiner lang verdrängten Geschichte zu
stellen und dem juristischen Unrecht von damals auf den Grund zu gehen. Mit dem Beistand seines Mannes Toon sammelt er all seine Kräfte und wagt eine Reise an den Anfang eines jahrzehntelangen
Martyriums.“
Text: Oliver Erdmann | Fotos: dq/OE