Düsseldorf hat ein neues Denkmal. Die queeren Held*innen von Claus Richter wurden heute von Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller enthüllt. Die LSBTIAQ*-Community würdigt das sichtbare Zeichen für Akzeptanz in der Landeshauptstadt.
Direkt am Rheinufer auf der Apollowiese stehen seit heute (15. Oktober 2021) vier Bronzefiguren auf einem Sockel. Sie stehen mit dem Rücken zueinander, halten sich an den Händen und recken die andere Hand mit geballter Faust oder dem Victory-Zeichen in den Himmel. Die Bronzeplastik des Künstlers Claus Richter mit dem Titel „Ein seltsam klassisches Denkmal“ ist der LSBTIAQ*-Community gewidmet. Der neue „Ort für die Erinnerung und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ in Düsseldorf, den die Arbeitsgemeinschaft der Düsseldorfer LSBTIQ*-Gruppen seit vielen Jahren eingefordert hat, soll an die Ausgrenzung und Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans* Menschen erinnern und zugleich an deren Emanzipationsgeschichte, an den Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung. Und er soll als lebendiger Ort der Begegnung für Offenheit und Akzeptanz stehen.
Hierfür hätte es keinen besseren Platz in Düsseldorf geben können. Im belebten Regierungsviertel der Landeshauptstadt, in Sichtweite der NRW-Staatskanzlei, gleich neben der Rheinkniebrücke zwischen KIT und Apollo-Varieté. Hier flanieren nicht nur am Wochenende Tausende Düsseldorfer*innen und Besucher*innen auf der Rheinpromenade. Hier – auf dem benachbarten Johannes-Rau-Platz – feiert die Community alljährlich ihren CSD. So auch an diesem Wochenende. Das dreitägige Straßenfest, das sonst im Frühsommer stattfindet, wurde pandemiebedingt in den Herbst verlegt, und fiel nun passender Weise mit dem Tag der Enthüllung des Denkmals zusammen.
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller sagte bei der Enthüllungsveranstaltung: „Düsseldorf ist eine weltoffene, bunte und tolerante Stadt. Hierher passt das Kunstwerk für die Erinnerung und
Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt. Mit diesem Ort gedenken wir der Diskriminierung von Lesben, Schwulen und trans* Menschen und schaffen gleichzeitig ein sichtbares Symbol für
die Vielfalt in der Landeshauptstadt. Ich hoffe auch auf eine Strahlkraft: Dieser Ort soll uns alle immer wieder daran erinnern, dass ein vielfältiges und tolerantes Miteinander keine
Selbstverständlichkeit ist. So soll es jede und jeden dazu ermutigen, sich dafür einzusetzen, für gegenseitigen Respekt und Akzeptanz einzutreten – und Hass und Diskriminierung damit entschieden
entgegenzutreten.“
Für das LSBTIQ+ Forum Düsseldorf erinnerte dessen ehemalige Co-Sprecherin Gabriele Bischoff daran, dass der Weg von der Idee zur Realisierung ein langer war. „Schon vor Jahrzehnten hat die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf das Schicksal der Homosexuellen in Düsseldorf zur Zeit des Nationalsozialismus mit einer Ausstellung und Publikation öffentlich gemacht. Damals, 1996, entstand die erste Idee für ein Denkmal. Eigentlich ist es unfassbar, dass es über 20 Jahre gedauert hat, bis es zu dem Verfahren mit Werkstattgespräch und Kunstkommission und der Einweihung des heutigen Denkmals gekommen ist. Aber: manche Bewegungen und Entwicklungen brauchen halt ihre Zeit“, sagte Gabriele Bischoff.
Ihre bewegende Rede beschloss Bischoff mit der Hoffnung, dass auch in einhundert Jahren die nachfolgenden Generationen noch wissen, was mit diesen vier Figuren hier am Rhein gesagt werden soll:
„Wir stehen hier, weil es Menschen gibt, die sich dafür eingesetzt haben, dass Lieben und Begehren nicht darauf beschränkt wird, dass eine Frau einen Mann liebt und begehrt, sondern ein Mensch
einen anderen Menschen. Und dass es mehr als zwei Geschlechter gibt.“
Der Kölner Künstler Claus Richter freute sich sichtlich, dass sein Kunstwerk für die LSBTIQ-Community nun Realität geworden ist. Zur Intention des Kunstwerks sagte er: „Die Figuren der Skulpturengruppe halten sich alle an den Händen. Sie sind vereint, und das hat etwas sehr Humanistisches für mich. Das ist eine Utopie, die nur ab und zu aufleuchtet, aber dann umso stärker und schöner. So kitschig das klingt: Es geht um die Kraft der Gemeinschaft.“
Für die Kunstkommission Düsseldorf, die das Projekt im Auftrag der Stadt verwirklicht hat, sagte die neue Vorsitzende Heike van den Valentyn: „Dank sei der ersten Kunstkommission Düsseldorf
gesagt, die den Prozess in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen Protagonist*innen, unter anderem dem Düsseldorfer LSBTIQ+ Forum, der Mahn- und Gedenkstätte, dem Amt für Gleichstellung und
Antidiskriminierung sowie dem Oberbürgermeister Stefan Keller und seinem Vorgänger Thomas Geisel, begleitet, getragen und umgesetzt hat. Ich freue mich, dass die Landeshauptstadt Düsseldorf mit
dem Werk von Claus Richter ein weithin sichtbares künstlerisches Zeichen für eine vielfältige und tolerante Gesellschaft setzt.“
Die Veranstaltung wurde moderiert von Laura Rohrbeck (WDR Lokalzeit Düsseldorf), die zu Beginn mit der Erinnerung an das Schicksal von Karl Carduck, einem schwulen Naziopfer, dem in Düsseldorf
ein Stolperstein gewidmet ist, einen bewegenden Einstieg gab. Das queere Jugendzentrum PULS beteiligte sich mit einer Plakataktion und einem Überblick über die LSBTIQ-Situation von damals, heute
und morgen an der feierlichen Veranstaltung. Neben den Reden gab es dann auch noch einen musikalischen Beitrag: Der ehemalige PULS-Besucher Mirko Allermann (Gitarre & Gesang) und Lisa Sophie
Pauli (Gesang) begeisterten die zahlreichen Teilnehmer*innen mit einem selbst geschriebenen Song.
Zum Ort für die Erinnerung und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt hat das LSBTIQ+ Forum Düsseldorf eine Website veröffentlicht: www.lsbtiq-erinnerungsort-duesseldorf.de
Text: Oliver Erdmann