DQ-Lesetipp | Juni 2024

Das Team der Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf stellt hier regelmäßig lesenswerte Bücher vor. Diesmal: „Gespräche mit Freunden“ von Sally Rooney und „Der Klavierschüler“ von Lea Singer. Viel Freude beim Lesen!

Bild: Lesetipp Juni 2024
Bild: Buchcover "Gespräche mit Freunden"
© Luchterhand / btb

Gespräche mit Freunden

Sally Rooney

Luchterhand Literaturverlag | ISBN 978-3-630-87541-5

 

„Gespräche mit Freunden“ von Sally Rooney ist ein literarischer Roman, der das Leben der schüchternen und etwas verschlossenen 21-jährigen Frances und ihrer eher extrovertierten besten Freundin und ehemaligen Partnerin Bobbi beleuchtet. Die beiden Studentinnen aus Dublin nehmen an Poetry-Slams teil, bei denen sie ihre Werke vortragen. Dort lernen sie auch die ältere Schriftstellerin Melissa und ihren Ehemann Nick, einen Schauspieler, kennen. Frances beginnt eine Affäre mit Nick, während Bobbi sich zunehmend zu Melissa hingezogen fühlt. Diese Beziehungen bringen sowohl innere als auch äußere Konflikte mit sich und fordern die Protagonisten auf verschiedene Weise heraus. Im Verlauf der Handlung müssen die Charaktere ihre Vorstellungen von Liebe, ihre Freundschaft und ihre eigene Identität hinterfragen.

 

In „Gespräche mit Freunden“ erkundet Sally Rooney die Fluidität von Sexualität und die Komplexität queerer Beziehungen. Die Figuren Frances und Bobbi haben eine romantische und sexuelle Vergangenheit, die in ihre gegenwärtige Freundschaft hineinwirkt. Diese Beziehung wird nicht durch gesellschaftliche Labels eingeschränkt, was ein authentisches Bild von queerer Identität im modernen Kontext zeichnet. Die queeren Beziehungen werden in diesem Roman als integraler und normaler Bestandteil des Lebens dargestellt. Dies steht im Einklang mit einem zeitgenössischen Verständnis von Sexualität, das auf ebendieser Fluidität und Selbstbestimmung basiert.

 

Die Beziehung zwischen Frances und Nick und die sich entwickelnde Dynamik zwischen Bobbi und Melissa werfen ein Licht auf die Komplexität zwischenmenschlicher Interaktionen und die Nuancen von Kommunikation und Macht. Frances und Nicks Affäre ist geprägt von emotionaler Intimität, aber auch von einem Machtgefälle, das durch Nicks Alter und seine Ehe mit Melissa entsteht. Frances' Unsicherheiten und ihr innerer Konflikt werden durch die präzise Prosa deutlich gemacht, was die Leser*innen tief in die psychologische Landschaft der Protagonistin eintauchen lässt.

 

Die Kommunikation in „Gespräche mit Freunden“ ist oft indirekt und subtil, was die Missverständnisse und unausgesprochenen Gefühle zwischen den Charakteren hervorhebt. Dies reflektiert die Art und Weise, wie Menschen auch oft im realen miteinander kommunizieren, um Unsicherheiten und wahre Gefühle für den eigenen Selbstschutz zu verbergen. Die Dialoge sind scharf und prägnant, was Rooneys Talent unterstreicht, komplexe Emotionen und soziale Dynamiken mit wenigen Worten darzustellen. Dieses Talent zeigt sie ihren Leser*innen auch in ihren weiteren Romanen, was für sie bereits so etwas wie ein Erkennungsmerkmal geworden ist.

 

Die Beziehung zwischen Frances und Bobbi ist trotz der Affäre mit Nick zentraler Dreh- und Angelpunkt des Romans. Ihre Vergangenheit als Partnerinnen und ihre gegenwärtige enge Freundschaft zeigen den Leser*innen die Möglichkeit einer tiefen, platonischen Verbindung auf, die dennoch von ihrer früheren romantischen Intimität geprägt ist. Diese Dynamik zeigt die vielfältigen Formen, die menschliche Beziehungen annehmen können, und hinterfragt traditionelle Vorstellungen von Freundschaft und Liebe.

 

„Gespräche mit Freunden“ von Sally Rooney ist ein vielschichtiger Roman, der durch seine ehrliche Darstellung von queeren Identitäten und die komplexen, oft widersprüchlichen Beziehungen seiner Charaktere besticht. Sally Rooney gelingt es, die Vielschichtigkeit menschlicher Emotionen und die Fluidität von Sexualität und Identität authentisch und berührend darzustellen.

 

Vorgestellt von Natalie Wiedenau

 

Bild: Buchcover "Der Klavierschüler"
© dtv

Der Klavierschüler

Lea Singer

dtv | ISBN 978-3-423-14793-4

 

Der Roman beginnt mit zwei Männern, die einen Dritten suchen, um diesen scheinbar töten zu wollen. Die Hintergründe werden, vorerst, nicht erklärt. Das Haus des potenziellen Opfers ist leer und verlassen. Unverrichteter Dinge verlassen sie es und veranlassen eine Fahndung, um sich die Suche zu erleichtern. Ein paar Stunden später wünscht sich ein Mann mittleren Alters in einer halbseidenen Bar, in der unter anderem ein Damenimitator auftritt, ein bestimmtes Lied vom Barpianisten. Der Barpianist stellt sich später dem Mann als Nico Kaufmann vor und nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Doch geht es ihm nicht um die Befriedigung sexueller Gelüste, sondern um Gespräche über die Musik und das Leben von Vladimir Horowitz.

 

Es stellt sich heraus, dass Kaufmann Horowitz erster (und inoffizieller) Klavierschüler war. Mehr noch, Kaufmann, obwohl über 10 Jahre jünger als Horowitz, wird dessen Geliebter. Damals, in den Jahren vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges, war es eine schwierige Zeit und eine schwierige Beziehung. Nico Kaufmann, jung, schön und talentiert am Klavier, und Vladimir, das Jahrhundertgenie, der dem Zauber des jungen Mannes nicht widerstehen kann. Zwar war Homosexualität in der Schweiz, wo der Roman hauptsächlich spielt, zu dieser Zeit keine Straftat mehr, doch wurde sie als Makel oder Krankheit angesehen. Horowitz dagegen war verheiratet mit Wanda Toscanini, einer Tochter des größten Dirigenten dieser Epoche. Anscheinend eine Zweckehe.

 

Der über 70-jährige Nico Kaufmann schildert dem namenlosen Fremden in allen Einzelheiten die mehrjährige heimliche Beziehung zu Horowitz mit all ihren Höhen und halb-wahnsinnigen Tiefen. Er redet über Musik und zitiert aus Briefen, die der Meister ihm heimlich schrieb. Mehrere Tage verbringen sie so miteinander. Nach und nach erfährt man mehr über den Fremden, dessen Leben und Verhalten und auch den Grund für seine Flucht vor zwei mysteriösen Männern.

 

Der Roman basiert auf tatsächlich existierenden Briefen, die in der Zentralbibliothek Zürich vorhanden sind.

 

Vorgestellt von Markus Gickeleiter

 

Die Bücher können bei der LUSBD Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf kostenlos ausgeliehen werden.

 

Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf
im Bürgerhaus Angermund
Graf-Engelbert-Str. 9
40489 Düsseldorf
Geöffnet jeden Sonntag von 15.00 bis 16.30 Uhr

Anmeldung erforderlich

www.lusbd.de

 

DQ – Düsseldorf Queer dankt dem Team der LUSBD für die nette Zusammenarbeit.