DQ-Lesetipp | November 2024

Das Team der Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf stellt hier regelmäßig lesenswerte Bücher vor. Diesmal: „Big Swiss“ von Jen Beagin und „Sixteen Souls – Wovor die Toten sich fürchten“ von Rosie Talbot. Viel Freude beim Lesen!

Bild: Lesetipp November 2024
Bild: Buchcover "Big Swiss"
© Atlantik Verlag

Big Swiss

Jen Beagin

Atlantik Verlag | ISBN 978-3-45501593-5

 

Big Swiss von Jen Beagin erzählt die Geschichte von Greta, einer Frau in den Vierzigern, die in der kleinen Stadt Hudson lebt. Sie ist eine Einzelgängerin mit einer komplizierten Vergangenheit und arbeitet als Transkribiererin für einen Sextherapeuten, den sie nur als „Om“ bezeichnet. Om betreut eine Reihe exzentrischer und skurriler Klient*innen, und Greta hört im Laufe ihrer Arbeit intime Details über deren Leben und Gedanken.

 

Einer dieser Klient*innen ist eine Frau, die Greta sofort fasziniert, da ihre distanzierte und kühle Art direkt ihr Interesse weckt. Aufgrund ihrer Herkunft aus der Schweiz tauft Greta sie auf den Namen „Big Swiss“. Big Swiss, eigentlich Sabine, ist eine Frau, die ebenfalls mit einem schwerwiegenden Trauma kämpft und in ihrer Therapie versucht, ihre Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten. Während Greta transkribiert, beginnt sie immer mehr von Sabine zu erfahren, die sich in ihrer Therapie als verschlossen und hartnäckig zeigt. Trotz ihrer Distanz hat sie eine starke Ausstrahlung, die Greta nicht loslässt.

 

Eines Tages begegnen sich die beiden zufällig, und Greta, die sofort das Verlangen verspürt, Sabine kennenzulernen, gibt sich als jemand anderes aus, ohne preiszugeben, woher sie Sabine bereits kennt und welches Wissen sie über sie besitzt. Mehr und mehr entsteht eine leidenschaftliche Affäre, die geprägt ist von Geheimnissen, gegenseitiger Anziehung und dem Versuch, mit eigenen Traumata umzugehen. Greta verliebt sich zunehmend in Sabine, auch wenn sie weiß, dass sie sie über ihre wahre Identität täuscht.

 

Gleich zu Beginn des Romans ist bekannt, dass Sabine in einer heterosexuellen Ehe lebt, aber sie sich dennoch als bisexuell oder zumindest queer identifiziert. Auch Greta, unsere Protagonistin, hat bereits in langjährigen heterosexuellen Beziehungen gelebt. Während sie sich anfangs eher als bisexuell beschreibt, kommt in ihr selbst auch im Verlauf der Geschichte die Frage auf, ob sie nicht doch lesbisch sein könnte.

 

Die queere Beziehung der beiden Frauen zueinander ermöglicht ihnen, neue Seiten an sich zu entdecken. Die Queerness des Romans zeigt sich nicht nur in der Liebesgeschichte, sondern auch in den Freiheiten, die die Figuren sich in Bezug auf Sexualität und emotionale Verbindungen nehmen. Dabei bleibt die Darstellung sehr ungefiltert und realitätsnah – ohne Stereotype oder Klischees.

 

Jen Beagin hat einen scharfen, ironischen Schreibstil, der oft ins Absurde oder Satirische übergeht. Sie beschreibt ihr Leben mit einer Mischung aus Humor und Melancholie und hat ein Talent dafür, die dunklen und absurden Seiten ihrer Charaktere ans Licht zu bringen. Greta ist eine unzuverlässige, aber sympathische Erzählerin, die ihre eigene Einsamkeit und emotionale Zerrissenheit oft in sarkastischen Kommentaren und schwarzem Humor verarbeitet.

 

Big Swiss ist ein Roman, der mit viel Humor und Empathie von ungewöhnlichen Beziehungen und der Suche nach Identität erzählt. Die Leser*innen begleiten Greta auf einer ungewöhnlichen Reise, die sie vor allem zu sich selbst führt, während sie lernt, ihre eigene Vergangenheit anzunehmen und in der Gegenwart zu leben.

 

Obwohl zu Zeiten absurd und grotesk, hat es große Freude bereitet, den Roman von Beagin zu lesen und die Leseerfahrung war wie keine andere.

 

Vorgestellt von Natalie Wiedenau

 

Bild: Buchcover "Sixteen Souls - Wovor die Toten sich fürchten"
© Loewe Verlag

Sixteen Souls - Wovor die Toten sich fürchten

Rosie Talbot

Loewe | ISBN 978-3-7432-1736-2

 

Charlie Frith starb vor 6 Jahren an einer Meningitis. Doch die Ärzte im Krankenhaus konnten ihn wiederbeleben. Danach war sein Leben nicht mehr wie zuvor. Zum einen mussten ihm seine beiden Beine oberhalb der Knie amputiert werden, zum anderen kann er seitdem die Toten sehen. Sie unterscheiden sich von lebenden Menschen durch ihre teilweise altmodische Kleidung oder durch sichtbare Verletzungen aufgrund eines gewaltsamen Todes. Manchmal verraten sie sich durch Schweben über dem Boden, Hindurchgleiten durch feste Gegenstände oder plötzliches Verschwinden. Wenn Charlie nicht aufpasst, unterhält er sich also plötzlich mit einer Person, die für den Rest der Menschheit nicht sichtbar ist. Auch sind die Toten in der Lage, ihn zu berühren, was bei einigen zu kannibalischen und handgreiflichen Aktionen führte.

 

Genug Gründe für Charlie, der großen Mehrheit der Verstorbenen aus dem Weg zu gehen. Trotzdem ist er mit dreien von ihnen enger befreundet. Heather, die junge Ärztin, die vor ein paar Jahren Opfer eines Verbrechens wurde. Der 11-jährige Ollie, der schon seit über 90 Jahren als eine Art ewiger Peter Pan tot ist, und Audrey, die ihn auf einer Klassenfahrt aus einer Todesschleife, den sich ununterbrochen wiederholenden letzten Erinnerungen einer gewaltsam verstorbenen Person, gerettet hat, bevor er selbst den Verstand verlor.

 

Eines Tages stolpert Samuel Harrow, der vor ein paar Monaten beinahe ertrunken wäre und nun auch die Toten sehen kann, in sein Leben. Während Charlie sich von der übernatürlichen Gemeinde streng fernhält, versucht Sam möglichst viel über seine „Gabe“ herauszufinden, um den Toten irgendwie zu helfen. Momentan versucht er das Geheimnis um das plötzliche Verschwinden verschiedener ortsgebundener Geister zu ergründen und bittet Charlie um Hilfe bei seiner Mission. Charlie findet Sam in mehr als nur einer Hinsicht faszinierend, ist aber alles andere als begeistert sich an der Sache zu beteiligen. Erst als Audrey plötzlich auch zu den Vermissten zählt, ändert er seine Meinung.

 

Dieser Roman ist der 1. Band der Souls-Dilogie. Der Plot enthält gleich eine ganze Reihe von queeren Charakteren der unterschiedlichsten Identitäten, sowohl lebendig als auch tot. Neben verschiedenen Coming-outs und den üblichen Teenager-Problemen geht es aber auch um die Liebe. Wer einen quirligen und lustigen Teenie-Roman erwartet, muss sich auf eine Enttäuschung gefasst machen. Hier geht es recht düster zu. Das Leben ist nicht einfach und das Leben nach dem Tode schon gar nicht. Gewalt kommt recht häufig vor und auch Schmerzen in körperlicher und psychischer Form.

 

Trotzdem ist der Roman ein echter Pageturner. Ich wollte wissen, wie es mit Sam und Charlie weitergeht, was das Geheimnis hinter den verschwundenen Geistern ist und ganz ehrlich, da wäre ich nie draufgekommen.

 

Vorgestellt von Markus Gickeleiter

 

Die Bücher können bei der LUSBD Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf kostenlos ausgeliehen werden.

 

Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf
im Bürgerhaus Angermund
Graf-Engelbert-Str. 9
40489 Düsseldorf
Geöffnet jeden Sonntag von 15.00 bis 16.30 Uhr

Anmeldung erforderlich

www.lusbd.de

 

DQ – Düsseldorf Queer dankt dem Team der LUSBD für die nette Zusammenarbeit.