Das Team der Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf stellt hier regelmäßig lesenswerte Bücher vor. Diesmal: „Hemingways Kind“ von Russell Franklin und „Becoming a Queen“ von Dan Clay. Viel Freude beim Lesen!
Hemingways Kind
Russell Franklin
KEIN & ABER Verlag | ISBN 978-3-0369-5000-6
Eigentlich mag ich keine Romanbiografien. Diese habe ich trotzdem gelesen. Zu neugierig war ich auf das Leben des jüngsten Sohns von Ernest Hemingway. Gregory Hemingway, in der Familie auch Greg, Gigi oder Gig-man genannt, wurde 1931 geboren und starb im Jahr 2001 69-jährig als Gloria Hemingway in einem Frauengefängnis in Miami. Gregory studierte Medizin und praktizierte als Arzt, bis ihm seine Approbation aufgrund seiner Alkoholsucht aberkannt wurde. Er hat vier Frauen geheiratet und 8 Kinder hinterlassen. Schon als Junge verspürte er den unwiderstehlichen Drang Frauenkleidung zu tragen, doch erst als über 60-Jähriger unterzog er sich geschlechtsangleichenden Operationen.
Dies sind die biografischen Fakten. Der Autor zeichnet in seinem Debütroman das Bild eines Kindes, dessen Hauptantriebsfeder es ist seinem Vater zu gefallen. Greg* brilliert beim Baseball, boxt wie ein Weltmeister und schießt Vögel vom Himmel. Ein Vater, der alles dransetzt, seine Söhne zu „ganzen Kerlen“ zu erziehen, sie sogar zu unmäßigem Alkoholkonsum animiert und ein Sohn, der das genetische Erbe einer manisch-depressiven Erkrankung in sich trägt und schon früh mit seiner geschlechtlichen Identität hadert ─ die Konflikte in der Familie sind vorprogrammiert. Als Ernest Hemingway seinen Jüngsten zum ersten Mal in Frauenkleidern erwischt, reagiert er im Roman fast moderat, in der Realität soll er außer sich geraten sein.
Dies ist so ein Punkt, an dem ich mich ärgere eine Romanbiografie in Händen zu halten. Ansonsten porträtiert der Autor seinen Protagonisten mit viel Empathie, mit sensibler Feder zeichnet er die einzelnen Lebensstationen dieses bewegten Lebens eines Zerrissenen nach. Die Schauplätze sind Key West, Havanna, Los Angeles, Tansania, Miami, Rochester, New York. Dabei geht der Autor nicht strikt chronologisch vor, sondern springt auch einmal aus der Reihe, ein Umstand, der an die bipolare Erkrankung seiner Figur erinnert und an einigen Stellen ein Kunstgriff ist, um die Entwicklung Gregorys durch eine Rückblende zu verdeutlichen. Der Spannung ist diese Vorgehensweise durchaus nicht abträglich, im Gegenteil.
Es ist ein atmosphärisch dicht geschriebener Roman, den man nicht so schnell zur Seite legen möchte und der zur gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlechtsidentität einlädt.
* Ich benutze den Namen Greg oder Gregory, wie es auch der Autor tut, weil Gloria Hemingway bis zu ihrem Tod auch abwechselnd ihre männlichen Vornamen benutzte.
Vorgestellt von Andrea Schroeder
Becoming a Queen
Dan Clay
Ravensburger | ISBN 978-3-473-58661-5
Mark Davis ist 16, geht noch zur Highschool und hat sein Coming-out bereits erfolgreich hinter sich gebracht. Mehr noch, ist er doch mit einem der heißesten Jungen der Schule fest zusammen und alle wissen davon und akzeptieren es. Bei einem Auftritt zweier Schulfreundinnen, während eines Talentwettbewerbs, treten er und zwei weitere Jungs aus dem Sport-Team der Schule als Background-Tänzer auf – im Kleid und in Pumps. Bei Mark macht es Klick! Schwul allein ist er nicht, nein gelegentlich möchte er einfach ein Kleid anziehen dürfen. Unglücklicherweise sieht sein Boyfriend das etwas anders und trennt sich kurz darauf von ihm. Mark stürzt daraufhin in ein tiefes Tal aus Selbstmitleid.
Zum Glück steht Mark in dieser schweren Zeit sein großer Bruder Erik zur Seite. Erik ist 2 Jahre älter, geht schon aufs College und war auf der Highschool ein Ausnahme-Sportler. So lange Mark zurückdenken kann, war Erik immer der perfekte große Bruder, der ihn in allem unterstützte und mit dem er über alles reden konnte. Desto schwerer ist es für ihn zu akzeptieren, dass Erik auch Probleme hat und diese auf seine eigene Art bekämpft – mit Alkohol. Schließlich geschieht das Undenkbare und Erik stirbt bei einem Autounfall, den er in betrunkenem Zustand verursacht. Für Mark und seine Familie bricht eine Welt zusammen.
Der Roman schildert behutsam, wie Personen mit Trauer über einen längeren Zeitraum umgehen. Es geht auch um Herzschmerz nach dem Ende der ersten großen Liebe, um die Schmetterlinge im Bauch bei der nächsten Liebe, um den Verlust von Freunden im Laufe der Zeit und dies alles immer überschattet durch die allgegenwärtige Trauer beim Verlust eines über alles geliebten Menschen. Der Roman zeigt einfühlsam, dass vieles möglich ist, und nicht nur eine Sache allein passiert.
Vorgestellt von Markus Gickeleiter
Die Bücher können bei der LUSBD Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf kostenlos ausgeliehen werden.
Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf
im Bürgerhaus Angermund
Graf-Engelbert-Str. 9
40489 Düsseldorf
Geöffnet jeden Sonntag von 15.00 bis 16.30 Uhr
Anmeldung erforderlich
DQ – Düsseldorf Queer dankt dem Team der LUSBD für die nette Zusammenarbeit.