Seit einem Jahr leitet Sascha Förster das Düsseldorfer Theatermuseum. Der 35-jährige Wahl-Kölner will der Theatergeschichte und dem hauseigenen Archiv künftig mehr queere Stories entlocken. Zur Nacht der Museen ziehen erst einmal die Dragqueens ins Hofgärtnerhaus ein.
Wenn am 1. Juni 2022 das 75-jährige Jubiläum des Dumont-Lindemann-Archivs mit einem Festakt auf der Open-Air-Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses auf dem Gustaf-Gründgens-Platz gefeiert wird, ist Sascha Förster genau ein Jahr im Amt. Der promovierte Theaterwissenschaftler hat nach seinem Studium in Berlin zunächst am Institut für Medienkultur und Theater an der Universität zu Köln gearbeitet, bevor er 2021 die Leitung des Theatermuseums der Landeshauptstadt übernahm. Das kulturhistorische Museum im Hofgärtnerhaus stand schon fast vor dem Aus. Förster hauchte dem Haus neues Leben ein. Die Räume wurden umgestaltet, das Rahmenprogramm erweitert, Kooperationen mit anderen Kulturinstituten gesucht.
Dr. Sascha Förster hat in kurzer Zeit das Profil des Hauses weiterentwickelt. Sein Verständnis von Theater geht über das Schauspiel und das, was auf der Bühne passiert, hinaus. Für ihn ist
Theater auch das Publikum oder die Menschen in der Maske, im Kostümfundus oder an der Theaterkasse. „Sie alle haben Geschichten zu erzählen“, sagt Förster, und all das solle auch Platz finden im
Theatermuseum. Im Herbst 2022 plant das Museumsteam eine Ausstellung über die Rheinkirmes. Denn wer die Welt als Bühne versteht, für den ist der Jahrmarkt auch ein großes Theater. Dass die größte
Kirmes am Rhein eigentlich ein traditionelles Schützenfest ist und hier die St. Sebastianus-Schützenbrüder seit vielen Jahren schon am Pink Monday auf die queere Community treffen, ist für den
Museumsleiter ein weiterer interessanter Aspekt.
Der 35-jährige Wahl-Kölner will im Theatermuseum mehr Queerness wagen. So sollen etwa auch queere Performancekulturen stärker in den Blick genommen werden. Bereits im vergangenen Jahr trat das schwule, deutsch-türkische Performance-Duo Çakey Blond mit dem vielsagenden Programm „100 Diven, 100 Kuchen, 100 Männer“ auf der Museumsbühne auf. Kürzlich lud das Theatermuseum anlässlich des Eurovision Song Contests zum Public Viewing ein. Die Veranstaltung mit der Düsseldorfer Dragqueen Freifrau von Kö war ein Riesenerfolg und soll im nächsten Jahr wiederholt werden. Und zur Düsseldorfer Nacht der Museen am 11. Juni ist die Performance „Drag & Biest“ vom Stadt:Kollektiv des Düsseldorfer Schauspielhauses zu Gast (Shows um 23.00 / 0.00 / 1.00 Uhr).
Die neue Ausstellung „1904 bis 1947: Wandel zwischen Aufbruch & Archiv“ nimmt neun Theatermacher*innen in den Blick, darunter über die Hälfte Frauen. Anhand von Exponaten aus dem
Dumont-Lindemann-Archiv, das vor 75 Jahren von Regisseur und Theaterleiter Gustav Lindemann an die Landeshauptstadt übergeben wurde, tauchen die Besucher*innen ein in die Welt des Reformtheaters
zur Zeit der Weimarer Republik. Das einzigartige Archiv dokumentiert das künstlerische Schaffen des 1904 von Lindemann und der großen Schauspielerin Louise Dumont gegründeten und 1933
geschlossenen „Schauspielhauses Düsseldorf“.
Louise Dumont (1862 – 1932) war mehrere Jahre mit Gustav Lindemann verheiratet, ihr Biograf attestierte ihr aber auch ein starkes Interesse an Frauen. Ihre Vorliebe für junge Schauspielerinnen, die sie auch in ihrer Düsseldorfer Theaterakademie förderte, passe durchaus in die Zeit der Goldenen Zwanziger, die geprägt war von gesellschaftlichem und kulturellem Aufbruch, und eben auch von einer neuen Freizügigkeit und den Diskursen um Magnus Hirschfeld, dem Wegbereiter der deutschen Lesben- und Schwulenbewegung. Ihren Schauspielschülerinnen habe Luise Dumont sogar Mut gemacht, Bisexualität auszuprobieren, erzählt Sascha Förster.
In der Ausstellung wird dies kein Thema sein. Luise Dumont wird hier als Schauspielerin und Theatermacherin porträtiert. Beim Festakt zum Archiv-Jubiläum wird Dumont als starke Frau gewürdigt. Ob
dem Bild über die Düsseldorfer Theater-Ikone ein queerer Aspekt hinzugefügt werden kann, wird die zukünftige Forschung zeigen. Museumschef Sascha Förster jedenfalls lädt
Theaterwissenschaftler*innen und Historiker*innen ein, mit dem Archiv zu arbeiten und zur Diversifizierung der Sammlung beizutragen.
Text: Oliver Erdmann