Düsseldorfer Reaktionen auf die #ActOut-Aktion

Anfang Februar hat das gemeinsame Outing von 185 Schauspieler*innen deutschlandweit für Gesprächsstoff gesorgt. Auch am Düsseldorfer Schauspielhaus wird seitdem darüber diskutiert, inwieweit queere Menschen im Film oder auf der Theaterbühne benachteiligt werden.

Bild: Schauspieler Florian Claudius Steffens
Der Schauspieler Florian Claudius Steffens hat das #ActOut-Manifest mitunterzeichnet. Ab August 2021 spielt er im Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses. // Foto: Alexander Hörbe

In einer Aktion des „Süddeutsche Zeitung Magazin“ haben sich im Februar 185 deutsche Schauspieler*innen als lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär und/oder trans* geoutet. Sie treten mit dem Manifest #ActOut für mehr Sichtbarkeit unterschiedlichster sexueller und geschlechtlicher Identitäten im TV und auf Theaterbühnen ein und beklagen Stereotypisierung und Diskriminierung. Die Aktion schlug bundesweit hohe Wellen und sorgte auch am Düsseldorfer Schauspielhaus für Diskussionen.

 

Bild: Jonas Friedrich Leonhardi
Jonas Friedrich Leonhardi ist Ensemblesprecher am Düsseldorfer Schauspielhaus. Er hat mit seinen Kolleg*innen über die #ActOut-Aktion gesprochen. // Foto: Thomas Rabsch

Allerdings lasse die derzeitige Situation eine eingehendere Diskussion kaum zu, sagt Jonas Friedrich Leonhardi. Er ist seit der Spielzeit 2016/17 Ensemblemitglied in Düsseldorf und Ensemblesprecher. Die Kantine sei coronabedingt geschlossen und man treffe sich höchstens mal auf dem Gang. In seiner Produktionsgruppe (Leonhardi probt zurzeit das Stück „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“ von Sibylle Berg) habe man sich natürlich die Fotos der an #ActOut beteiligten Kolleg*innen angesehen, aber man habe niemanden aus dem aktuellen Düsseldorfer Ensemble gefunden, scherzt er. „Die Aktion war cool“, sagt Leonhardi. „Da spricht eine Notwendigkeit heraus, sonst hätte das Ganze nicht so eingeschlagen.“ Bei seinen hiesigen Schauspielkolleg*innen spiele es aber weniger eine Rolle, vermutet der 30-Jährige, denn: „Es gibt bestimmt queerere Ensembles als das Düsseldorfer.“

 

Bild: Robert Koall
Auch Robert Koall, stellvertretender Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, äußert sich gegenüber Düsseldorf Queer zu dem #ActOut-Manifest. // Foto: Thomas Rabsch

Dass die #ActOut-Aktion notwendig gewesen sei, sieht auch Robert Koall so. Seit gut fünf Jahren ist der gebürtige Kölner Chefdramaturg und stellvertretender Generalintendant am Düsseldorfer Schauspielhaus. Zwar sehe er den Nachholbedarf in punkto Offenheit gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Identitäten eher in der Film- und Fernsehsparte, doch für die Schauspieler*innen sei das Thema eben von großer Bedeutung. Wenn es in der Branche heiße, dass man den*die Partner*in besser nicht auf den Roten Teppich mitnehmen soll oder die Besetzungschancen für geoutete Schauspieler*innen geringer seien, sei dies nicht hinzunehmen, meint Robert Koall. Er glaubt allerdings, dass es hier eher um Vermarktbarkeit im Filmgeschäft als um persönliche Vorbehalte gehe. „Im Theaterbereich habe ich das aber noch nicht erlebt“, sagt er, „schon gar nicht hier in Düsseldorf.“

 

Bild: Links: Florian Jahr, Foto: Lucia Hunziker. Rechts: Sergej Czepurnyi, Foto: Niklas Vogt

Unter den Schauspieler*innen, die sich im Rahmen der #ActOut-Aktion geoutet haben, sind auch Florian Jahr (links, Foto: Lucia Hunziker) und Sergej Czepurnyi (rechts, Foto: Niklas Vogt). Der 37-jährige Florian Jahr hat von 2011 bis 2015 am Düsseldorfer Schauspielhaus gespielt. Sergej Czepurnyi (29) war als Gast in Roger Vontobels Inszenierung von Gilgamesh (Premiere Sept. 2016) in Düsseldorf zu sehen.

Auch Florian Claudius Steffens hat das #ActOut-Manifest mitunterzeichnet. Im vergangenen Jahr war er in dem Stück „Lulu“ von Frank Wedekind in Düsseldorf zu erleben, in der kommenden Spielzeit wird der 36-Jährige festes Ensemblemitglied am Schauspielhaus. Der Berliner, der zurzeit in Leipzig lebt, sagt im Gespräch mit Düsseldorf Queer, dass er durchaus erst ein paar Tage überlegen musste, bevor er sich dazu entschied, an der #ActOut-Aktion mitzuwirken. „Es war schon ein aufregender Prozess und ich musste erstmal eine innere Hürde überwinden“, berichtet er. Er selbst habe zwar noch keine diskriminierenden Erfahrungen in der Theater- oder Filmbranche gemacht, so Steffens, aber ein öffentliches Outing sei nun mal ein besonderer Schritt. In seinem privaten Umfeld war Florian Claudius Steffens schon lange geoutet, aber es sei „toll zu spüren“ gewesen, wie sich auch seine Familie und die engsten Freunde nach #ActOut nochmal neu mit dem Thema auseinandergesetzt hätten.

 

Bild: Florian Claudius Steffens
„Ich musste erstmal eine innere Hürde überwinden“, sagt Schauspieler Florian Claudius Steffens über seine Beteiligung an der #ActOut-Aktion. // Foto: Alexander Hörbe

In der Diskussion um Sichtbarkeit richtet Florian Claudius Steffens den Blick auch auf internalisierte Homophobie, also die Selbstabwertung vieler queerer Menschen, letztlich die Angst vor dem Ich. „Das ist aus meiner Sicht der größte Stolperstein zu mehr Toleranz und Diversität“, sagt er. Gründe dafür sind Heteronormativität und Stigmatisierung von Homosexualität in der Gesellschaft. Und deshalb brauche es auch mehr queere Stoffe auf der Theaterbühne, mehr queere Figuren, mehr Sichtbarkeit von LSBTIQ*, sagt der Schauspieler und hat auch schon Ideen dafür. „Auch im klassischen Stückekanon gibt es genug Queerness, genug queere Momente“, findet er, die müssten einfach deutlicher herausgearbeitet werden. Und klassische Stoffe könnten durchaus auch so übersetzt werden, dass sie mehr Diversität widerspiegeln würden. Nun liegt der Spielball also im Feld der Theatermacher und man kann gespannt sein, ob Florian Claudius Steffens demnächst mal eine Hauptrolle in „Romeo und Julian“ spielt. Düsseldorf Queer freut sich drauf.

 

Text: Oliver Erdmann