Neuer Stolperstein für queeres NS-Opfer

Seit heute erinnert ein Stolperstein vor dem Düsseldorfer Kom(m)ödchen an Wilhelm Zitschka, der von den Nazis wegen seiner Homosexualität verfolgt wurde. Kay Lorentz hat die Patenschaft für den neuen Gedenkort übernommen.

Bild: Stolperstein für Wilhelm Zitschka vor der Verlegung
Der Stolperstein für Wilhelm Zitschka vor der Verlegung vorm Kom(m)ödchen. // Foto: Oliver Erdmann

Auf Initiative der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf wurde am 11. Oktober 2024 ein weiterer Stolperstein für ein queeres Opfer des Nationalsozialismus vor dem Eingang der Kabarett- und Kleinkunstbühne Kom(m)ödchen verlegt. Es ist der sechste Erinnerungsort in Düsseldorf für eine Person, die von den Nazis wegen ihrer Homosexualität verfolgt und nach Paragraf 175 verurteilt wurde. Viele der Opfer überlebten Haft und Internierung in einem Konzentrationslager nicht. Mit Wilhelm Zitschka wird erstmals einer Person gedacht, die die Nazizeit überlebt hat. Doch seine Geschichte ist nicht weniger tragisch.

 

Bild: Verlegung des Stoplersteins mit Zuschauenden
Zur Verlegung des Stolpersteins kamen zahlreiche Interessierte. // Foto: Oliver Erdmann

Wilhelm Zitschka wurde am 9. November 1880 in Großauheim bei Hanau in Hessen geboren. Er war von Beruf Silberschmied und betrieb auf der Hunsrückenstraße in der Düsseldorfer Altstadt ein Geschäft. Mehrfach wurde er wegen homosexueller Kontakte nach Paragraf 175 verurteilt, zuletzt vom Landgericht Düsseldorf am 22. April 1941 zu zwei Jahren Gefängnis. Für die Nazis galt er damit als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher wegen widernatürlicher Unzucht“. Nach der Haftzeit drohten ihm daher Sicherungsverwahrung und Deportation in ein Konzentrationslager, was unweigerlich den Tod bedeutet hätte. Als Ausweg blieb nur die sogenannte „freiwillige Entmannung“. Seine Kastration fand bereits am 14. Mai 1941 im Gefängniskrankenhaus in Düsseldorf-Derendorf („Ulmer Höh’“) statt. Die anschließende zweijährige Haftstrafe verbüßte er im Gefängnis Anrath bei Willich. Im Februar 1943 kam Wilhelm Zitschka frei und zurück nach Düsseldorf. Er überlebte die NS-Zeit und starb am 7. Januar 1960 im Alter von 79 Jahren in seiner Wohnung in Bilk.

 

Bild: Astrid Hirsch-von Borries und Kay Lorentz
Astrid Hirsch-von Borries (Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf) und Kay Lorentz vom Kom(m)ödchen vor der Verlegung des Stolpersteins am 11. Oktober 2024. // Foto: Oliver Erdmann

Das Haus mit der Anschrift Hunsrückenstraße 4, in dem Wilhelm Zitschka zur Zeit seiner Verhaftung wohnte und sein Geschäft hatte, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Seit 1967 steht hier die Kunsthalle Düsseldorf mit der Kabarettbühne im hinteren Teil. Der Platz vor dem Kom(m)ödchen wurde 1995 zu Ehren des Gründer-Ehepaares in Kay-und-Lore-Lorentz-Platz umbenannt. Kay Sebastian Lorentz, Sohn des berühmten Kabarettpaares und selbst langjähriger Leiter des Kom(m)ödchens, übernahm daher gerne die Patenschaft für den Stolperstein zur Erinnerung an Wilhelm Zitschka. Die kleinen Gedenktafeln aus Messing sind ein internationales Projekt des Künstlers Gunter Demnig, mit denen an das Schicksal der Menschen erinnert wird, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

 

Bild: Stolperstein für Wilhelm Zitschka
Der Stolperstein für Wilhelm Zitschka liegt direkt vor dem Eingang des Kom(m)ödchens auf dem Kay-und-Lore-Lorentz-Platz. // Foto: Oliver Erdmann

In Düsseldorf wurden bislang noch keine Stolpersteine für Überlebende des Naziterrors verlegt. Diese Praxis soll sich nun ändern, erläuterte Astrid Hirsch-von Borries, Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, bei der heutigen Aktion. Das Schicksal von Wilhelm Zitschka zeige, dass es richtig sei, nicht nur an Opfer zu erinnern, die in der NS-Zeit ihr Leben verloren hätten. Düsseldorf war zwischen 1933 und 1945 eine Hochburg der Homosexuellen-Verfolgung in Deutschland. Die Gerichte verhängten überdurchschnittlich harte Strafen, homosexuelle Häftlinge wurden in Einzelhaft genommen und gefoltert, und im Gefängnis Ulmer Höh’ wurden massenhaft Kastrationen an Homosexuellen durchgeführt.

 

Weitere Infos zu den Düsseldorfer Stolpersteinen für queere Opfer finden sich auf der Website zum LSBTIQ+ Erinnerungsort Düsseldorf: www.lsbtiq-erinnerungsort-duesseldorf.de/orte/stolpersteine/

 

Zu Wilhelm Zitschka (und dem von den Nazis mitangeklagten Alfred Ledermann aus Duisburg) hat Jürgen Welke, Dipl.-Psychologe und Aktivist, ausführlich recherchiert: www.stolpersteine-homosexuelle.de/wilhelm-zitschka

 

Text: Oliver Erdmann