In wenigen Wochen startet die UEFA EURO 2024 auch in Düsseldorf. Anlässlich dieses Fußball-Großereignisses standen Queerfeindlichkeit und Vielfalt im Sport im Fokus gleich zweier Podiumsgespräche in der Zentralbibliothek.
„Queerness im Sport – gestern und heute“ lautete der Titel der Talkrunde von Queere Geschichte(n) Düsseldorf e.V. am 15. Mai 2024 im „Stadtfenster“ der Zentralbibliothek im KAP1. Zu Gast bei Moderator Dr. Sascha Förster (Institutsleiter des Theatermuseums Düsseldorf) waren Eva Kulot (Leiterin des Sportamts der Landeshauptstadt), Dirk Behmer (VC Phönix Düsseldorf und Düssel-Cup) und Jonas Recker (Engagierter für die Teilhabe von trans* und nicht-binären Menschen am Sport).
Dirk Behmer, seit 1994 Mitglied im schwul-lesbischen Sportverein VC Phönix Düsseldorf, erinnerte an die Gründung von gleich vier Sportvereinen für queere Menschen in Düsseldorf in den 1990er-Jahren. Damals waren es Safer Spaces für LSBTIQ*-Sportsfreund*innen, es sei aber zunehmend auch um Sichtbarkeit gegangen. Mit dem Düssel-Cup, dem internationalen Multisport-Turnier, das seit 2007 am Wochenende vor Ostern stattfindet und mehrere hundert Sportler*innen aus ganz Europa nach Düsseldorf lockt, habe die Landeshauptstadt ein besonderes queeres Event. Tragisch sei der Ausfall der EuroGames 2020 Düsseldorf gewesen, auf die sich die Community jahrelang vorbereitet hatten; dass die LSBTIQ*-Europaspiele wegen Corona ersatzlos gestrichen werden mussten, sei ein Tiefschlag für die vielen ehrenamtlichen Organisator*innen gewesen.
Den Ehrenamtlichen, die sich in den (queeren) Sportvereinen engagieren, dankte Eva Kulot, die seit 2019 Leiterin des Sportamts der Landeshauptstadt Düsseldorf ist. Sie ist Ex-Profispielerin im Frauenfußball (FCR Duisburg) und sagte, dass der Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2000 ihr persönliches sportliches Highlight gewesen sei. Kulot sprach auch über das städtische Aktionsprogramm „Just Sports – Für Vielfalt Gegen Homophobie“, das 2016 gestartet ist. Die Kampagne für Toleranz und Respekt im Sport sei gut angenommen worden, es habe etwa Banner-Aktionen bei Spielen von Fortuna oder der DEG gegeben. Sie verriet aber auch, dass sie den Titel heute anders wählen würde: man solle besser von Homo- und Trans-Feindlichkeit statt von Phobie sprechen. Aktuell zeigt das Sportamt in der Zentralbibliothek die Ausstellung „Flagge zeigen – Queeres Leben im Sport“.
Jonas Recker ist queerer Aktivist und engagiert sich seit einigen Jahren für die Teilhabe von trans*, inter* und nicht-binären (TIN)-Menschen am Sport. In Köln betreut er das Projekt „Yes, we’re open!“. Mit seinem Team sensibilisiert er Vereine und Verbände, aber auch Mitarbeiter*innen von Sporteinrichtungen. Ein erster Schritt sei es, Offenheit zu signalisieren, etwa durch die Nutzung der Progress-Pride-Flagge oder der Verwendung von Genderstern und Co., um TIN-Personen eine erste Hürde zu nehmen. Als Nächstes müsse das starre binäre System hinterfragt werden; TIN-Menschen bräuchten Angebote jenseits von Mann-Frau-Kategorien. In Köln organisiert Jonas Recker einmal im Monat das TIN-Schwimmen in Kooperation mit dem queeren SC Janus mit. Auch in Düsseldorf gibt es ein solches Angebot – einmal im Quartal in der Münster-Therme, mitorganisiert vom queeren Jugendzentrum PULS*.
Sascha Förster führte gewohnt sympathisch durch den Abend und lud die rund 30 Zuhörer*innen nach dem Podiumsgespräch ein, eigene Erfahrungen einzubringen und Nachfragen zu stellen. Die nächste Talkrunde von Queere Geschichte(n) Düsseldorf findet statt am 21. August 2024 um 18.30 Uhr im „Stadtfenster“ im KAP1 – dann zum Thema „Queere Familien“.
Queerfeindlichkeit im Fußball
Eine weitere Podiumsdiskussion in der Zentralbibliothek fand bereits am Vortag (14. Mai 2024) im „Herzkammer“-Saal statt. Auch hier waren rund 30 Zuhörende anwesend. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Flagge zeigen – Queeres Leben im Sport“ ging es hierbei um das Thema „Queerfeindlichkeit im Fußball“. Auf zahlreichen Schautafeln werden queere Sportler*innen porträtiert, Diversity-Kampagnen vorgestellt und konkrete Situationen in der Sportberichterstattung nachgezeichnet, in der queeres Leben im Sport thematisiert wird. Die Ausstellung des Sportamtes der Landeshauptstadt in Kooperation mit Düssel-Cup und den Stadtbüchereien Düsseldorf ist noch bis zum 14. Juli zu sehen.
Bei der Talkrunde mit Moderator Tino Hermanns kamen Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, Elena Müller (Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW), Pascal Manuél Kaiser (Schiedsrichter Fußballverband Mittelrhein), Dominik Hoffmeyer (Leiter Fanangelegenheiten Fortuna Düsseldorf) und Oliver Marquart (Redakteur Evangelisches Sonntagsblatt) zu Wort. Gesprochen wurde u.a. über Gesten und Symbole im Sport, die Solidarität und aktive Unterstützung ausdrücken wollen, wie zum Beispiel die „One-Love-Armbinde“ oder die „Mund-zu-Geste“ der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar.
In ihrem Inputvortrag berichtete Elena Müller über die Arbeit der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW. Auf der Projektseite medif-nrw.de können diskriminierende Vorfälle gemeldet werden, die Meldestelle dokumentiert diese und bietet Beratung an. So wurden bisher von Juli 2022 bis Mai 2024 über 1700 Meldungen zu 1143 Vorfällen abgegeben. Fast 60 Prozent der Fälle betreffen Diskriminierungsformen in den Bereichen Sexismus (42 %) und Queerfeindlichkeit (17 %). Diskriminierungen von Menschen, die sich als Teil der queeren Community verstehen, sind auf und abseits des Fußballfeldes sowie im Internet an der Tagesordnung, so Elena Müller.
Hierüber konnte auch Pascal Manuél Kaiser berichten. Im Jahr 2022 hat sich der Profi-Schiedsrichter öffentlich als bisexuell geoutet. Die Reaktionen waren weitestgehend positiv, sagt er. Sein damaliger Fußball-Landesverband Brandenburg, der Schiedsrichterausschuss und auch sein Verein stellten sich hinter ihn. Doch auch er kann von queerfeindlichen Angriffen berichten. Als Schiedsrichter gehe er aktiv dagegen vor, doch er beklagt zu lasche Richtlinien beim DFB, die nur selten zu Strafen führten. Pascal Manuél Kaiser engagiert sich als Aktivist im Fußball gegen Homofeindlichkeit und kümmert sich gemeinsam mit Marcus Urban um die Kampagne „Sports Free – Coming-out im Profisport“.
Die Kampagne „Sports Free“ wollte eigentlich aktive Fußballprofis zum gemeinsamen Coming-out am 17. Mai 2024, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans-Feindlichkeit, bewegen. Doch offenbar ist die Angst queerer Fußballer vor den Repressalien auf und am Rande des Spielfeldes zu groß. Viele seien zurückgerudert, verriet Pascal Manuél Kaiser. Nun wolle man darauf hinarbeiten, den Betroffenen Mut zu machen und sie bei ihrem öffentlichen Coming-out in hoffentlich naher Zukunft zu unterstützen. Am 17. Tag eines jeden Monats werde fortan der „Sports Free Day“ stattfinden, den Profisportler*innen für sich nutzen könnten, um sich öffentlich zu ihrer sexuellen Identität zu bekennen, so Kaiser.
Text: Oliver Erdmann