In der Talkreihe zu queeren Themen in der Düsseldorfer Zentralbibliothek ging es diesmal um Regenbogenfamilien und sogenannte Chosen Families. Sascha Förster sprach mit seinen Gästen über die bunte Vielfalt von Familienkonstellationen.
Am 21. August 2024 fand das dritte Podiumsgespräch in der queeren Talkreihe im Stadtfenster-Saal im KAP1 mit 45 interessierten Zuhörer*innen statt. Dr. Sascha Förster, Institutsleiter des Theatermuseums Düsseldorf, konnte vier illustre Gäste begrüßen: Petra Bosch (AWO-Fachstelle Regenbogenfamilien), Clarissa Bucher-O'Flaherty (lesbische Mutter), Daniel Ernesto Müller (schwuler Vater) und Paula Pau (die in einer queeren Wahlfamilie lebt).
Petra Bosch berichtete aus ihrem Beratungsalltag in der AWO-Fachstelle Regenbogenfamilien. Im Kürtenhof in Flingern bietet sie eine professionelle Beratung für queere Paare mit Kinderwunsch und Hilfen für queere Eltern und ihre Kinder an. Hierbei geht es um Themen wie (Sukzessiv-)Adoption, Co-Elternschaft und die Aufnahme von Pflegekindern. Anschaulich berichtete sie über die bestehende Diskriminierung queerer Paare: So müssen etwa nicht-leibliche lesbische Mütter weiterhin eine Stiefkindadoption durchführen, um das Sorgerecht für das Kind zu erhalten, wohingegen bei hetero Paaren der Ehemann automatisch der Vater des Kindes ist.
Neben der Beratungsarbeit führt die Fachstelle auch Fortbildungen in Einrichtungen der Familienberatung und Familienhilfe durch. Hier geht es zumeist um Sensibilisierung der Fachkräfte für Familienmodelle außerhalb der heteronormativen Vorstellung. Seit 2017 leistet die Fachstelle eine wichtige Arbeit in Düsseldorf, wovon auch Eva Bujny berichten konnte. Sie war viele Jahre Mitarbeiterin bei der Frauenberatungsstelle Düsseldorf und hat die Selbsthilfegruppe „Lesben mit Kinderwunsch“ ins Leben gerufen. Auf Initiative der queeren Community und unter Federführung von Eva Bujny und anderen konnte schließlich erreicht werden, dass die Fachstelle Regenbogenfamilien geschaffen wurde.
Aus dem Alltag von Regenbogenfamilien und dem zumeist steinigen Weg dorthin erzählten Clarissa Bucher-O'Flaherty und Daniel Ernesto Müller. Als sich Clarissa und ihre Frau vor über 16 Jahren aufmachten, um ein Kind zu bekommen, gab es kaum Vorbilder und Erfahrungen. Sie suchten sich damals Rat in der Kinderwunsch-Lesbengruppe von Eva Bujny. Hier tauschte man sich mit anderen Paaren aus und empfahl sich zum Beispiel Ärzt*innen oder Hebammen. Auch Daniel und sein damaliger Partner konnten noch auf keine Vorerfahrungen aufbauen, als sie vor gut acht Jahren den Wunsch nach einem Kind hatten. Sie beschritten als eines der ersten schwulen Paare in Düsseldorf den Weg der Pflegeelternschaft.
Erfreulich war zu hören, dass weder Clarissa noch Daniel in ihren Rollen als queere Eltern von Diskriminierungserfahrungen – etwa in Kitas oder im Kontakt mit anderen Familien – berichten konnten. Ihre Kinder hingegen hätten in der weiterführenden Schule allerdings bereits mit dummen Sprüchen oder Mobbing zu kämpfen. Und auch Petra Bosch warnte vor dem zunehmenden Backslash in der polarisierten Gesellschaft: So dürften hart erkämpfte Errungenschaften für queere Menschen nicht als gegeben angesehen werden.
Ein für die LSTIAQ*-Community ebenso wichtiges Thema – neben Regenbogenfamilien in ihren unterschiedlichen Ausprägungen – sind die sogenannten „chosen families“ oder auch Wahlfamilien. Hiervon konnte Paula Pau erzählen, die aus Malaysia stammt, und sich in Deutschland eine neue Familie suchen musste. Mit ihrem besten Freund Andras, den sie während des Studiums kennengelernt hat, und zwei weiteren Freund*innen hat Paula ihre Wahlfamilie gefunden. Dabei geht das Zusammenleben über eine normale Freundschaft hinaus: Die vier verbringen viel und regelmäßig Zeit miteinander, passen aufeinander auf und unterstützen sich in allen Lebenslagen. Auch wenn alle noch einen guten Kontakt zu ihren Verwandten pflegen, ist ihnen ihre „chosen family“ mindestens genauso viel wert wie ihre biologische Familie.
Im Anschluss an das Podiumsgespräch lud Sascha Förster wieder das Publikum ein, sich mit eigenen Redebeiträgen oder Fragen an die Expert*innen zu beteiligen. Beim letzten Talk in diesem Jahr geht es am Mittwoch, den 20. November, dann um das Thema „Queere Gesundheit“. Beginn ist wieder um 18.30 Uhr.
Die Veranstaltung von Queere Geschichte(n) Düsseldorf e.V. findet vierteljährlich in Kooperation mit dem Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung der Landeshauptstadt Düsseldorf, der Zentralbibliothek und dem Theatermuseum statt. Gefördert wird die Talkreihe durch die BürgerStiftung Düsseldorf und unterstützt durch einen Medienkooperation mit der Landeskampagne Anders & Gleich.
Text: Oliver Erdmann