Wie steht es um die Queere Gesundheit?

Bei der vierten Veranstaltung im Rahmen der Talkreihe zu queeren Themen im Stadtfenster im KAP1 sprach Moderator Sascha Förster mit seinen Gästen über das Thema Queere Gesundheit. Die Podiumsrunden werden im nächsten Jahr fortgesetzt.

Bild: Vier Podiumsteilnehmer*innen
V.l.n.r.: Gesprächsleiter Dr. Sascha Förster (Institutsleiter des Theatermuseums Düsseldorf), Dr. Inka Wilhelm (Fachstelle Altern unterm Regenbogen), Marco Grober und Harald Schüll (Aidshilfe Düsseldorf). // Foto: Oliver Erdmann

Am 20. November 2024 fand das letzte Podiumsgespräch in diesem Jahr in der Talkreihe „Queere Geschichte(n) – gestern und heute“ in der Düsseldorfer Zentralbibliothek statt. Der Gesprächsrunde gelang ein intensiver Austausch zu unterschiedlichen Aspekten queerer Gesundheit. Im Vorfeld des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember stand zwar das Thema HIV/Aids im Fokus, es ging aber auch um allgemeine Fragen aus der Beratungs- und Präventionspraxis und um mentale Gesundheit.

 

Bild: Dr. Inka Wilhelm (rechts) und Dr. Sascha Förster
Dr. Inka Wilhelm (rechts) berichtete, dass es für ihre Klient*innen wichtig sei, Ansprechpartner*innen mit Regenbogenkompetenz zu haben, die bestenfalls aus der jeweiligen Peergroup kommen. // Foto: Oliver Erdmann

Inka Wilhelm ist promovierte Alterswissenschaftler*in und arbeitet seit 2019 bei der Frauenberatungsstelle Düsseldorf für die Fachstelle Altern unterm Regenbogen. Das Projekt für die Zielgruppe LSBTIAQ* 55 plus läuft zum Jahresende aus. In den zurückliegenden fünf Jahren ging es der Fachstelle, die zu je einem Drittel von der Frauenberatungsstelle, der Aidshilfe und der AWO Düsseldorf getragen wird, um die Stärkung und Vernetzung von älteren queeren Menschen, den Ausbau bzw. Initiierung von Gruppenangeboten in den Düsseldorfer „zentren plus“ sowie um Aufklärung, Sensibilisierung und Fortbildung von Fachkräften in der Senior*innen-Arbeit.

 

Das Thema Gesundheit war stets wichtig für das Team von „Altern unterm Regenbogen“. Denn ältere (queere) Menschen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, körperlich zu erkranken oder pflegebedürftig zu werden. Zudem sind queere Menschen durch alltägliche Diskriminierung stärker psychisch belastet als die restliche Bevölkerung, was unmittelbar Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit hat. Studien belegen, dass queere Menschen in Deutschland dreimal häufiger von Depressionen und Burnout betroffen sind; auch Herzkrankheiten, Asthma und chronische Rückenschmerzen kommen häufiger vor.

 

Bild: Marco Grober (links) und Harald Schüll
Marco Grober (links) und Harald Schüll wussten viel über die wichtigen Aufgaben der Aidshilfe Düsseldorf zu berichten. // Foto: Oliver Erdmann

Als zweiter Gast berichtete Marco Grober über seine Tätigkeit im Bereich HIV-Prävention. Er ist Diplom-Pädagoge und arbeitet seit fast 25 Jahren bei der Aidshilfe Düsseldorf. Zunächst als schwuler Streetworker, seit geraumer Zeit leitet er den Bereich „Regenbogen+“, zu welchem Projekte wie Herzenslust (Streetwork), Checkpoint (Testangebot), PRADI (Beratung von MSM mit Migrationsgeschichte) oder die Trans*beratung gehören. Als Experte für HIV- und STI-Prävention konnte Marco Grober von den Entwicklungen in der Beratungsarbeit in den letzten Jahrzehnten erzählen. Besonders bei der HIV-Therapie habe sich viel getan.

 

Seit Mitte der 1990er-Jahre ist die Therapie besser verträglich und die Einnahme der Präparate ist einfacher geworden; waren früher bis zu 40 Tabletten am Tag nötig, die auch nachts eingenommen werden mussten, reicht heute eine Tablette pro Tag. Wichtige Schritte seien auch vereinfachte Tests und die seit einigen Jahren empfohlene PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) gewesen. Zudem besagen Studien, dass HIV-Positive unter Therapie nicht mehr infektiös sind. Waren HIV-Infizierte früher als „Virenschleudern“ verschrien, gilt der Schutz durch Therapie heute als eine Säule im Kampf gegen HIV/Aids. Dennoch hält die Stigmatisierung bis heute an, weshalb Kampagnen der Aidshilfen nicht an Aktualität und Relevanz verloren haben.

 

Seit 2017 gibt es bei der Aidshilfe Düsseldorf den Checkpoint, ein wöchentliches HIV- und STI-Testangebot, welches eine stetig zunehmende Nachfrage erfährt. Auch hierbei sei entscheidend, dass die Klienten (in der Regel Männer, die Sex mit Männern haben) in einer lockeren Atmosphäre auf ein Beratungsteam aus der Peergroup treffen. Besonders wichtig sei dies für Personen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, für die mit dem Projekt PRADI ein zusätzliches Beratungs- und Hilfsangebot bei der Aidshilfe besteht.

 

Aktuell sind die Aidshilfen in NRW von den Kürzungsplänen der Landesregierung im Gesundheitssektor betroffen; vor allem sei die Arbeit der kleinen Aidshilfen außerhalb der großen Städte bedroht, so Marco Grober. Doch auch für die Düsseldorfer Aidshilfe würden die geplanten Kürzungen zu Einschnitten bei Projekten wie etwa PRADI führen.

 

Bild: Harald Schüll mit Mikrofon
Harald Schüll trug bei dem Podiumsgespräch ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift „Silence = Death“ und einem rosafarbenen Dreieck (ein umgedrehter „Rosa Winkel“), das Ende der 1980er-Jahre von AIDS-Aktivisten verwendet wurde. // Foto: Oliver Erdmann

Der dritte Gast war Harald Schüll, Gründungsmitglied der Aidshilfe Düsseldorf. Viele Jahre hat er sich im Vorstand engagiert und ist auch im vergangenen Jahr wieder in die Bresche gesprungen, als die Aidshilfe ein neues Vorstandsteam suchte, das mit Fehlentwicklungen in der Organisation aufräumen sollte. Der 75-Jährige berichtete anschaulich, wie er im Jahr 1984 positiv auf HIV getestet wurde – kurz nachdem die Krankheit Aids vermehrt in den USA ausgebrochen und wenig später erstmals ein HIV-Test entwickelt worden war. Die gesellschaftliche Stimmung sei damals extrem schwulenfeindlich gewesen; es habe Forderungen gegeben, HIV-Positive abzusondern. Zusammen mit vier anderen Betroffenen beschloss er, eine Aidshilfe in Düsseldorf ins Leben zu rufen („Wir müssen uns selbst helfen, niemand anders wird das tun.“). Ziel war es, Infizierten zu helfen und gleichzeitig anderen Menschen zu erklären, wie man sich vor einer Infektion schützen kann.

 

Die medizinischen Fortschritte im Bereich der HIV-Therapie hat Harald Schüll alle selbst miterlebt. Für ihn sei die Schweizer EKAF-Studie (Eidgenössische Kommission für Aids-Fragen) von 2008 der entscheidende Durchbruch gewesen. Sie brach damals ein Tabu: HIV-Positive unter wirksamer Therapie sind sexuell nicht ansteckend, hieß es darin. Seitdem habe er sich wieder als normaler Mensch gefühlt, sagt Harald Schüll. Doch bei allen Verbesserungen für das Leben von HIV-Positiven heute, darf die Erinnerung an die schwierigen Zeiten nicht verblassen: Viele von Haralds Freunden und Weggefährten sind in den 1980er- und 1990er-Jahren an Aids gestorben.

 

Bild: Podiumsteilnehmende
Die Talkreihe mit Sascha Förster (links) und Gästen wird im nächsten Jahr fortgesetzt. // Foto: Oliver Erdmann

Moderator Sascha Förster bedankte sich nach der Publikums-Fragerunde bei seinen Gästen für deren Offenheit und ordnete noch einmal ein, wie wichtig ein solcher Austausch für die queere Community sei. Im nächsten Jahr geht die Talkreihe weiter. Am Mittwoch, den 19. Februar 2025, wird es dann um das Thema „Queere Generationen“ gehen.

 

Die Veranstaltung von Queere Geschichte(n) Düsseldorf e.V. findet vierteljährlich in Kooperation mit dem Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung der Landeshauptstadt Düsseldorf, der Zentralbibliothek und dem Theatermuseum statt. Gefördert wurde die Talkreihe in diesem Jahr durch die BürgerStiftung Düsseldorf und unterstützt durch einen Medienkooperation mit der Landeskampagne Anders & Gleich.

 

Text: Oliver Erdmann