Das erste Podiumsgespräch zu queeren Themen in diesem Jahr legte den Fokus auf „Queere Generationen – gestern und heute“. Beim Talk mit Moderator Sascha Förster wurde deutlich, wie wichtig generationsübergreifende Projekte sind.
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Beim diesjährigen Auftakt der Talkreihe „Queere Geschichte(n)“ im KAP1 waren die Reihen im Stadtfenster-Saal zur Freude der Veranstalter*innen bis auf den letzten Platz gefüllt. Nach vier erfolgreichen Veranstaltungen im vergangenen Jahr hatte der Verein Queere Geschichte(n) Düsseldorf e.V. am 19. Februar 2025 zum Podiumsgespräch mit Moderator Dr. Sascha Förster (Institutsleiter TMD) eingeladen. Kooperationspartner waren wieder das Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung, die Zentralbibliothek und das Theatermuseum Düsseldorf.
„Queere Generationen – gestern und heute“ lautete das Thema, und die Talkgäste bildeten ein altersmäßig breites Spektrum an queeren Menschen ab. Kurt Schultze (Arzt im Ruhestand) war mit 86 Jahre der älteste Teilnehmende, Leni Kebe (Abiturient*in) mit 18 Jahre die jüngste. Dazwischen gruppierten sich Mel Müller (Koordination SCHLAU Düsseldorf) und Bernd Plöger (Fachstelle „Leben unterm Regenbogen“), die über ihre Arbeit mit jungen und alten Menschen. Wolfgang Kutzke (Rentner) ergänzte das Panel aus der ersten Reihe mit persönlichen Beiträgen.
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Kurt Schultze erzählte aus seinem Leben, das durch seine Erfahrung mit der Verfolgung unter dem Paragrafen 175 geprägt ist. Als Medizinstudent wurde Kurt Anfang der 1960er-Jahre in Wien beim Besuch einer Klappe verhaftet und kam wegen „Unzucht unter Männern“ ins Gefängnis. Damit stand seine berufliche Laufbahn auf dem Spiel, lange hatte er mit den Folgen seiner Verurteilung zu kämpfen. Er sei ein Opfer der Unrechtsprechung, sagt Kurt Schultze. Heute berichtet er in Generationen-Cafés über das, was ihm widerfahren ist, aber auch über die vielen positiven Aspekte seines Lebens, wie die 50-jährige Partnerschaft mit seinem „Göttergatten“.
Auch Wolfgang Kutzke (69) konnte über das Unrecht berichten, das homosexuellen Männern in der Bundesrepublik fortwährend, auch nach Abschwächung des § 175 im Jahr 1969 angetan wurde. Die Beziehung zu seinem damaligen Freund fiel noch ins Raster des Schwulenparagrafen, Wolfgang wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch in seinem Berufsleben war das Coming-out oft ein Hindernis, durch Mobbing im Betrieb musste er mehrfach die Stelle wechseln. Erst im Jahr 2017 wurden die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen rehabilitiert, seit 2019 gibt es ein Anrecht auf Entschädigung.
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Leni Kebe ist Vertreter*in einer anderen Generation. Leni ist mit Errungenschaften aufgewachsen, die von den Älteren seit den 1970-er Jahren erkämpft wurden. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen seit 2017 heiraten, und seit 2024 gibt es mit dem Selbstbestimmungsgesetz erhebliche Verbesserungen für trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Personen. Doch auch heute ist das Coming-out kein Kinderspiel. In der Schule werde leider kaum über diverse Lebensentwürfe oder Geschlechtsidentitäten gesprochen, so dass für junge Menschen das Internet (YouTube oder TikTok) die Informationsquelle Nummer eins sei, berichtet Leni.
Das kennt auch Mel Müller. Im Internet, aber auch im richtigen Leben nehme besonders toxische Männlichkeit seit Jahren zu. Mel, der als trans* Person gerne das Pronomen sier benutzt, bekommt das auch in den Aufklärungs-Workshops, die SCHLAU Düsseldorf an Schulen durchführt, häufig zu spüren. Insbesondere Transgeschlechtlichkeit und Nichtbinarität seien für die Schüler*innen zunehmend ein rotes Tuch, wohingegen Schwul- oder Lesbisch-Sein heute kein großes Ding mehr sei. Es gebe aber auch positive Erfahrungen, so habe das SCHLAU-Team vor einiger Zeit das Coming-out eines trans* Jungen in dessen Schulklasse begleitet und die Reaktionen seien emotional und durchweg positiv gewesen.

Bernd Plöger, der seit vielen Jahren in der Düsseldorfer LSBTIAQ*-Community aktiv ist, arbeitet beim Projekt „Leben unterm Regenbogen“, das sich um die Sensibilisierung von Fachkräften im Sozial- und Gesundheitswesen für die Belange von queeren Menschen mit Unterstützungsbedarf bemüht, aber auch Angebote für queere Senior*innen organisiert und vernetzt. Er weiß, wie wichtig generationsübergreifende Projekte wie das Generationen-Café etwa im Jugendzentrum PULS* sind. Hier könnten junge Queers von den Erfahrungen und Lebensgeschichten der älteren Generation lernen. Zugleich bekämen die Älteren ein Bild davon, dass das Coming-out auch heute noch eine große Herausforderung ist und Diskriminierungserfahrungen an der Tagesordnung sind.
In der Publikumsrunde gab es viele Stimmen, die über ähnliche Erfahrungen berichten konnten. Deutlich wurde zum Ende des Abends, dass der Austausch und das Miteinander der Generationen wichtig sind. Und dass der gemeinsame Kampf gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung eine weiterhin aktuelle Aufgabe für die gesamte Community bleibt.
Der nächste queere Talk findet am 21. Mai 2025 statt, dann zum Thema „Queeres Gedenken – gestern und heute“.
Text: Oliver Erdmann