„Bleib Du!“ heißt das Motto des Treffs für schwule Männer mit Demenz im geschützten Raum, den die Caritas Düsseldorf ab sofort anbietet. Das deutschlandweit einzigartige Gruppenangebot geht in besonderer Weise auf die persönlichen Interessen schwuler Männer ein.
1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind aktuell an Demenz erkrankt, wie am Welt-Alzheimertag am 21. September 2022 bekanntgegeben wurde. Menschen mit Demenz verlieren ihre Erinnerungen, geistige Funktionen und Fähigkeiten. Typischerweise tritt das Phänomen – am häufigste ist dies Alzheimer – nach dem 65. Lebensjahr auf. In Düsseldorf dürfte es etwa 15.000 Menschen mit Demenz geben, von denen nach statistischen Schätzungen rund 800 schwule Männer sein müssten.
Bernhard Bauer arbeitet beim Caritasverband Düsseldorf e.V. im Fachbereich Demenz. Als sich der 61-Jährige im Sozialen Zentrum bewarb, gab es bereits Kontakte zur Düsseldorfer Fachstelle „Altern
unterm Regenbogen“, es wurden erste gemeinsame Veranstaltungen und Schulungen für das Betreuungspersonal in der offenen sozialen Altenarbeit durchgeführt. Mit Bernhard Bauer – selbst schwuler
Mann – konnte nun ein spezielles Angebot für queere Menschen ins Leben gerufen werden. Vermutlich das erste seiner Art in ganz Deutschland: ein Treff für schwule Männer mit Demenz.
Bernhard Bauer hatte vorher als Haustechniker in einem Pflegeheim gearbeitet und sich zum Betreuungsassistenten im Sozialen Dienst weitergebildet. Hierbei erlebte er alle Formen von
Alterskrankheiten und Demenz. In diesem Bereich sei entscheidend, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, sagt Bauer. „Biografiearbeit ist besonders wichtig“, weiß der Leiter des neuen Angebots
für schwule Männer. Bei Menschen mit Demenz seien die Erinnerungen wie ein Bücherregal, in dem die Bücher von hinten her umkippen, beschreibt Andrea Konkel das Krankheitsbild. Sie ist
Ansprechpartnerin für Dienstleistungen in der offenen sozialen Altenarbeit beim Sozialen Zentrum der Caritas Düsseldorf und weiß: „Übrig bleiben emotionale Fragmente – positive wie negative.“
Bei schwulen Männern könnten dies etwa Erfahrungen sein, die mit jahrelangem Verheimlichen des eigenen Schwulseins, mit Diskriminierung oder sogar Verfolgung im Zusammenhang mit dem Paragrafen
175 zu tun haben, schildert Bernhard Bauer. Es können aber auch schöne Erinnerungen sein – vom ersten gleichgeschlechtlichen Verliebtsein, von fröhlichen Begegnungen beim Christopher-Street-Day
oder Erlebnisse in der schwulen Szene. Die besonderen Biografien der Männer spielten eben eine entscheidende Rolle bei der Gruppenarbeit. Der neue Treff biete einen geschützten Raum und
spezifische Angebote im Rahmen der persönlichen Interessen, so Bauer.
Zu diesen Angeboten gehören gemeinsames Backen oder Gärtnern, künstlerische Betätigungen, Filme gucken oder Lieder singen. Wie in der Arbeit mit Menschen mit Demenz üblich, folgen die
wöchentlichen Treffen einem ritualisierten Aufbau – mit gemeinsamem Kaffeetrinken, einer Gesprächsrunde und Bewegungsförderung. Für die Klienten schaffe das Gruppenangebot Struktur und
Stabilität, für deren Angehörige böte es Entlastung, so Bernhard Bauer. Ausgelegt sei das Treffen auf drei Stunden, ergänzt Andrea Konkel, und das Angebot könne über die Leistungen der
Pflegekasse abgerechnet werden.
Der Treff für schwule Männer mit Demenz findet jeden Dienstag von 14.00 bis 17.00 Uhr statt in den Räumen der Caritas Düsseldorf auf der Klosterstraße 92.
Wer als Wegbegleiter*in eines schwulen Mannes mit Demenz Interesse an dem Angebot hat, kann Kontakt aufnehmen unter E-Mail demenz@caritas-duesseldorf.de oder telefonisch unter 0170 9383354.
Text: Oliver Erdmann