Mit dem Format „Young Moves“ schafft das Ballett am Rhein dem choreographischen Nachwuchs der Düsseldorfer Compagnie eine Plattform. Sechs Uraufführungen feierten am 4. Juli Premiere im Opernhaus Düsseldorf. Eine großartige Werbung für das Ballett.
Michael Foster: East Coasting – Claudine Schoch, Ensemble | Foto © Gert Weigelt
Sechs Tänzer_innen zeigen ihre eigenen Kreationen bei „Young Moves – Plattform Choreographie Ballett am Rhein“. Compagnie-Chef Martin Schläpfer und Ballettdirektor Remus Şucheană
haben in der vergangenen Spielzeit dieses neue Format geschaffen, das ambitionierten Mitglieder der eigenen Tanztruppe Raum gibt, Choreographien zu erarbeiten und dem Publikum vorzustellen.
Gefördert wird das Nachwuchsprojekt von den Ballettfreunden der Deutschen Oper am Rhein und erstmalig auch vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
Nordrhein-Westfalen.
Neben Wun Sze Chan, So-Yeon Kim, Michael Foster und Boris Randzio, die bereits in der Spielzeit 2016/17 ihre eigenen Tanzstücke auf die Bühne gebracht haben, stellen sich erstmals Chidozie Nzerem
und Sonny Locsin mit ihren choreographischen Ideen vor. Die Wahl der Themen, der Musik, der Ausstattung und der gesamten Umsetzung der jeweils etwa 15 Minuten langen Ballette ist den
Nachwuchskünstler_innen selbst überlassen. Der Ballettabend „Young Moves“ sprüht daher vor Ideen und glänzt nicht nur aufgrund der choreographischen Leistungen der sechs
Tänzer_innen, sondern auch durch die tänzerische Umsetzung durch deren Compagnie-Kolleg_innen. Bei der Premiere am 4. Juli 2017 gab es daher viel Beifall.
Zu Beginn ist das Stück „No Destination“ von Wun Sze Chan zu erleben, bei dem die Choreographin Ursprung und Entstehung eines Balletts beleuchtet. Das Bühnendesign der Chinesin ist auf den ersten Blick ein Hingucker, ebenso die Kostüme (von Hélène Vergnes). Die Tänzer_innen bewegen sich wie in einer Unterwasserlandschaft. Für Spezialeffekte sorgt Walter Padao mit seiner Kalligraphie-artigen Live-Malerei, die auf den Bühnenvorhang projiziert wird. Die eigens komponierte Musik stammt aus der Feder von Leopath (Michael Kamp), Julia Kent und Jaust.
Sonny Locsin zählt seit 2009 zu den herausragenden Tänzerpersönlichkeiten der Düsseldorfer Compagnie. In seiner ersten Choreographie widmet sich der Philippine der Welt der Ameisen. Zu den Klängen von Philip Glass' Streichquartett „Mishima“ inszeniert Locsin die Körper seiner zwei Tänzerinnen (mit schwarzen Spitzen-Oberteilen und nackten Beinen) und drei Tänzer (mit schwarzen Hosen und freien Oberkörpern) mit beeindruckendem Blick für Detail. Auch sein Bühnendesign und das Licht (von Thomas Diek) sind gekonnt. Sein Ballett „Fourmis“ erntet daher viel Applaus.
Ohne Bühnenbild, ruhig und mit der deutlichen Handschrift eines Schläpfer-Schülers geht Boris Randzio an sein Stück „Andante sostenuto“, benannt nach dem zweiten Satz von Franz Schuberts 21. Klaviersonate. Das Ballett beginnt jedoch mit der Musik von Radiohead („Daydreaming“) – großartig! Der Österreicher Randzio, der seit 2009 zum Ballett am Rhein gehört, erforscht die Beziehung von Tanz und Musik sowie das Verhältnis von Mann und Frau. Zu sehen sind schöne Paar- und Synchrontänze von sechs Tänzer_innen. Lediglich die Kostüme (von Louise Flanagan) muten ein wenig seltsam an.
Nach der Pause sorgt der US-Amerikaner Chidozie Nzerem mit seinem Tanzstück „Edge of Reason“ für Aufsehen. Energiegeladen sind die Percussion-Klänge zu denen der Choreograph unter anderem drei seiner hochgewachsenen Tänzerkollegen auf die Bühnen schickt: Marcos Menha, Richard Jones und Friedrich Pohl beeindrucken immer wieder mit ihren riesig langen Armen und Beinen. Zu heißen Rhythmen gibt es viel nackte Haut und erotisierende Paartänze zu sehen. Das Publikum zeigte sich bei der Premiere überaus begeistert.
Der Titel „49“ des Ballettstücks von So-Yeon Kim bezieht sich auf ein buddhistisches Trauerritual. 49 Tage dauert in ihrer koreanischen Heimat die traditionelle Trauerzeit nach dem Tod eines geliebten Menschen. In beeindruckender Weise inszeniert So-Yeon Kim zur wunderbar traurigen Musik von Arvo Pärt und Johann Sebastian Bach eine Geschichte von Tod, Trauer und Wiederkehr. Auch ihr Bühnendesign ist vortrefflich: ein im Bühnenhimmel hängendes Segel wird zum Leichentuch. Großartig spielt Yuko Kato die Trauernde.
Das Programm endet mit beschwingten Jazz-Klängen aus den 50er-Jahren von Charles Mingus, zu denen Michael Foster mit „East Coasting“ ein Stück vorstellt, das im Ambiente einer abendlichen Party vom Erinnern an große Gefühle erzählt. Seine vier Tänzer schickt Foster in bunten Cocktailkleider auf die Bühne, die vier männlichen Tänzer mit Schlips und Hosenträgern (Kostüme: Hélène Vernes). Es gibt Slapstick-Elemente, die nicht übertrieben wirken. Grandios ist aber Michael Fosters Bühnenbild: ein bewegliches, hängendes Trapez, das immer neue Ansichten schafft. Und ein tolles Spiel mit Licht und Schatten (Licht: Thomas Diek). Ein krönender Abschluss.
Dem Format „Young Moves“ gelingt damit nicht nur die Förderung des Choreographie-Nachwuchses, der unterhaltsame und abwechslungsreiche Tanzabend ist vielmehr auch ein geeignetes
Einstiegsprogramm für Ballett-Neulinge unter den Zuschauer_innen. Und „Young Moves“ ist eine gelungene Werbung für das Ballett am Rhein.
Weitere Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf: So 09.07. 15.00 Uhr | Do 13.07. 19.30 Uhr
Infos: www.operamrhein.de
Text: Oliver Erdmann