Zum dritten Mal hat das Ballett am Rhein seinen Tänzer_innen eine Plattform für eigene Choreographien gegeben. Feline van Dijken, Sonia Dvorák, Virginia Segarra Vidal und Eric White bekamen zum Ende der aktuellen Spielzeit die Chance sich auszuprobieren.
Feline van Dijken: Temet Nosce – Alexandra Inculet, Friedrich Pohl | FOTO © Gert Weigelt
In der dritten Auflage des Programms „Young Moves“ haben die drei Tänzerinnen und ihr männlicher Kollege mit ihren ersten eigenen Choreographien einen spannenden und abwechslungsreichen Abend gestaltet. Premiere war am 30. Juni 2018 im Theater Duisburg. Während die Erstlingswerke von Feline van Dijken und Sonia Dvorák durchaus begeistern konnten, kreierte der Tänzer Eric White ein eher einfallsloses Stück. Highlight des Abends war aber die Choreographie von Virginia Segarra Vidal.
Martin Schläpfer, Chefchoreograph des Balletts am Rhein, und Ballettdirektor Remus Șucheană wollen mit der Reihe „Young Moves – Plattform Choreographie“ jungen Talenten eine Chance geben, ihre choreographischen Ideen zu realisieren und auf großer Bühne zu präsentieren. Die Entwicklung einer neuen Choreographie vom ersten Einfall bis zur Premiere birgt zahlreiche Herausforderungen für die Künstler_innen, die sich für ihre Arbeiten unterschiedlichste Themen gewählt haben.
Feline van Dijken: Temet nosce (Uraufführung)
Die niederländische Tänzerin Feline van Dijken hat u.a. an der Königlichen Ballettschule Den Haag studiert und ist seit 2009 Mitglied des Balletts am Rhein, wo sie u.a. als Solistin in George Balanchines „Mozartiana“ und Jerome Robbins’ „The Concert“ zu sehen war.
Für ihr Werk „Temet nosce“ („Erkenne dich selbst!“) hat Feline van Dijken die Komposition „Meditations on Ecclesiastes“ von Norman Dello Joio ausgewählt. Ausgehend davon schickt sie ihre sechs
Tänzer_innen, drei Frauen und drei Männer, in eine ausdrucksstarke Auseinandersetzung zwischen dem eigenen Ich und den zwischenmenschlichen Beziehungen. Das Bühnenbild mit beweglichen Rahmen,
einem toll beleuchteten Fadenvorhang im Hintergrund und die zurückhaltend designten Kostüme machen Lust auf mehr.
Tänzerinnen: Alexandra Inculet, Norma Magalhães, Claudine Schoch | Tänzer: Bruno Narnhammer, Friedrich Pohl, Filipe Frederico
Sonia Dvorák: Our Discontent (Uraufführung)
Die Amerikanerin Sonia Dvorák ist seit der Spielzeit 2014/15 beim Ballett am Rhein engagiert. Sie studierte u.a. an der renommierten Canada’s National Ballet School in Toronto. Martin Schläpfer setzte u.a. als Solistin in George Balanchines „Duo Concertant“ und „Mozartiana“ ein.
„Our Discontent“ („Unsere Unzufriedenheit“) nennt Sonia Dvorák ihr Ballett zu Songs von Tom Wait. Dessen raue und knurrende Stimme dominiert das Stück, die Bühne bleibt schlicht mit einer
verrosteten Eisenplatte, die im Hintergrund über allem schwebt. Auch die Kostüme (von Guido Reinhold) sind passend mit blassen und eher rostbrauen Farben. Sonia Dvorák beschäftigt sich mit den
Widersprüchen zwischen dem Bild des amerikanischen Traums und der gegensätzlichen Realität in ihrer Heimat, was man den Tänzen allerdings nur schwer entnehmen kann.
Tänzerinnen: Ann-Kathrin Adam, Doris Becker, Mariana Dias, Helen Clare Kinney | Tänzer: Rashaen Arts, Rubén Cabaleiro Campo, Philip Handschin, Alexandre Simões, Daniel Vizcayo
Virginia Segarra Vidal: Posidonia (Uraufführung)
Die Spanierin Virginia Segarra Vidal hatte nach ihrer Ballettausbildung u.a. am Institut del Teatre in Barcelona ihre ersten Engagements beim Ballet de Zaragoza und von 2007 bis 2011 beim Ballett Vorpommern in Greifswald. Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie Mitglied des Balletts am Rhein, wo sie u.a. zuletzt in Martin Schläpfers Schwanensee als Solistin auf der Bühne stand.
Für ihre Choreographie „Posidonia“ ließ sich Virginia Segarra Vidal von den Bewegungen von Meerespflanzen inspirieren. Wie das Neptungras – fest im tiefen Meeresgrund verwurzelt und von den
Strömungen des Wassers bewegt – stehen ihre Tänzer_innen zunächst wie angewurzelt, doch mit wirkungsvollen Körperbewegungen auf der Bühne. Als zweite Inspirationsquelle liegt in Mies van der
Rohes Barcelona-Pavillon mit seiner klarstrukturierten Architektur und der dort wiederzufindenden Skulptur „Der Morgen“ von Georg Kolbe. Die Tänzer_innen bewegen sich durch das wundervolle
Bühnenbild von Christian Odzuck mit Mauern aus weißen Vorhängen wie in einem Labyrinth und werden immer wieder zu Statuen, wie eben der aus dem berühmten Architektur-Schmuckstück. Für die
beeindruckende und fast magische Geräuschkulisse sorgt Musiker Stefan Odzuck. Gemeinsam mit ihren beiden Co-Autoren gelingt Virginia Segarra Vidal mit ihrer ersten Choreographie gleich ein echtes
Meisterwerk.
Tänzerinnen: Doris Becker, Wun Sze Chan, Alexandra Inculet, Yuko Kato, Irene Vaqueiro | Tänzer: Rashaen Arts, Yoav Bosidan, Rubén Cabaleiro Campo, Boris Randzio
Eric White: Rhapsody on a theme (Uraufführung)
Eric White erhielt seine Ausbildung in Phoenix, Arizona sowie u.a. an der San Francisco Ballet School und der Houston Ballet Academy, wo er später auch Compagnie-Mitglied wurde. Seit der Spielzeit 2015/16 tanzt er beim Ballett am Rhein, zuletzt in Remus Șucheanăs „Abendlied“.
Eric White’s Ballett ist eine Hommage an seine Mittänzer_innen aus der ganzen Welt. Sie alle kennen das Gefühl des In-der-Fremde-Seins, sie alle gehen für ihren Beruf den Schritt ins Ungewisse,
und für einen jeden kann der Traum zum Albtraum werden. Die Musik von Michael Torke („An American Abroad“) bildet den seichten Rahmen für ein wenig hintergründiges Tanzstück mit allzu plakativen
und einfallslosen Kostümen (von Saskia Schneider). Auch die Tanzchoreographie und die holzschnittartigen Charaktere vermögen leider nicht so recht zu begeistern.
Tänzerinnen: Camille Andriot, So-Yeon Kim, Aleksandra Liashenko, Cassie Martín | Tänzer: Sonny Locsin, Chidozie Nzerem, Arthur Stashak
Weitere Vorstellungen am Theater Duisburg:
Do 05.07. | 19.30 - 21.45 Uhr
Sa 07.07. | 19.30 - 21.45 Uhr
Infos: www.operamrhein.de
Text: Oliver Erdmann