Zehn Fragen an Gabriele Bischoff

Gabriele Bischoff ist eine von vier Sprecher_innen des LSBT*-Forums Düsseldorf. Als Geschäftsführerin der LAG Lesben in NRW feierte sie in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum. Die 56-jährige Düsseldorferin eröffnet die neue dq-Interviewreihe.

Bild: Gabriele Bischoff
Gabriele Bischoff // Foto: Oliver Erdmann

1_ Wann hast du dich als Lesbe geoutet?


Mein Coming out hatte ich mit ca. 26 Jahren. Für manche langjährige Freund_in war das folgerichtig, weil sie immer vermutet hatten, dass ich auch auf Frauen stehe. Für manche war es irritierend, weil ich bis dahin mit Männern zusammen gewesen bin (und zwischendurch nochmal eine bisexuelle Phase hatte ;-). Ich hatte damals einige psychosomatische Beschwerden, Kopf- und Bauchweh, Herzrasen und bekam vom Hausarzt eine Krankschreibung wegen Erschöpfungssyndrom. Bei meiner Familie habe ich mich erst Jahre später geoutet, das war nicht schön, mit widersprüchlichen Rückmeldungen von den Eltern. Dafür waren Tanten, Onkels und Cous_innen sehr relaxt.


2_ Wie würdest du dir dein Coming-out heute vorstellen?


Selbstverständlicher, nicht so ein Gewese, es ist okay, als Frau Frauen zu begehren und kein Weltuntergang.


3_ Wie kam es dazu, dass du Aktivistin wurdest?


Mit Mitte 20 hatte ich auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachgemacht, dreieinhalb Jahre abends nach dem Bürojob. Ab Sommer 1989 hatte ich dann Zeit, und bei der „Komma“ suchten sie Frauen, die eine neue Frauenzeitung machen sollten. Damals habe ich die Redaktion der La LiBerta mitaufgebaut, mit dem Studium angefangen und mich schnell im AStA der Heine-Universität engagiert. Für die „Komma“ war ich im Frauenforum, habe mit meiner Freundin Unterschriften gesammelt, damit der Frauenschwoof im Zakk vom Club in den großen Raum wechselte. Außerdem habe ich einige Veranstaltungen mitorganisiert. 1998 war ich mit dem Studium fertig und bin von einer Bekannten angesprochen worden, dass die LAG Lesben in NRW gegründet worden sei und ob ich mich nicht auf den Job als Geschäftsführerin bewerben wollte.


4_ Was macht dir am meisten Spaß bei deiner Tätigkeit als Geschäftsführerin der LAG Lesben in NRW?


Ich liebe es, mit engagierten Leuten, ob haupt- oder ehrenamtlich, neue Ideen zu spinnen, diese mit alten Ideen zu verknüpfen und die Welt zu verändern. Am meisten macht mir Spaß, mit klugen Leuten zusammenzuarbeiten, wie wir manchmal in Sitzungen sehr schnell Pläne schmieden, Lösungen finden und Projekte auf den Weg bringen, weil wir Geldgeber_innen von einer Idee überzeugen können. Also: wenn ich etwas möglich machen kann, das macht mir richtig Spaß.


5_ Und was kann dir in deinem Job die Laune vermiesen?


Leider gibt es das auch, ja. Bedenkenträger_innen können mir die Laune vermiesen, wenn manche Idee fünfmal hin und her gewälzt werden muss. Oder wenn meine Fachlichkeit, meine Expertise oder die meiner Kolleg_innen nicht anerkannt wird, da muss ich schon mal tief durchatmen.

 

Bild: Gabriele Bischoff
Gabriele Bischoff feierte in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum als Geschäftsführerin der LAG Lesben in NRW. // Foto: Oliver Erdmann

6_ Wie wichtig ist heute noch ein CSD?


Ähm, wie wichtig sind die Kundgebungen zum 1. Mai oder Kirmes oder Feuerwerke zu Silvester? Okay, auf Letzteres sollten wir öfters verzichten. Aber nicht auf die CSD-Demonstrationen und Straßenfeste. Hier treffen sich mehr oder weniger bewusst Heteros und Homosexuelle, Trans- und Cis-Menschen, können miteinander reden oder den Leuten von der Bühne zuhören. Es sind doch auch immer wieder politische Statements und eine Selbstvergewisserung, dass Lesben, Schwule, Trans*, Bi und Inter-Personen sich nicht verstecken müssen, sondern sich ebenso feiern können wie Arbeitnehmer_innen oder Karnevalist_innen oder Sportler_innen.


7_ Wie beurteilst du die Lesben-Szene in der Landeshauptstadt?


Ich habe da nix zu beurteilen, auch weil es die „Lesben-Szene“ nicht gibt. Wenn du willst, kannst du dich als Lesbe in Düsseldorf für Lesben engagieren oder einfach nur ausgehen. Mittlerweile kannst du hier als Lesbe gut leben. So gehe ich beispielsweise viel draußen essen und treffe mich mit Freund_innen in Brauhäusern und Gaststätten, nicht nur beim „Lesbian Take-Over“. Ich bin schon ewig nicht mehr negativ angemacht worden, nicht im Kino, nicht im Theater, nicht in der Bahn. Du kannst als junge Lesbe ins PULS gehen, als alte Lesbe kannst du dich mit anderen in der AWO oder in der Frauenberatungsstelle Düsseldorf treffen. Dem Orga-Team vom „Lesbian Take-Over“ bin ich sehr dankbar, dass sie die Kneipenübernahmen in unterschiedlichen Stadtteilen organisieren. So wird deutlich, wie groß und bunt und unterschiedlich die Lesben und ja, von mir aus, auch die sogenannte Lesbenszene in Düsseldorf sind.


8_ Hat Düsseldorf wirklich eine Vorreiterrolle in Bezug auf LSBTI-Themen?


Mittlerweile: ja! Weil „unsere“ Themen in der Bürger_innenschaft angekommen sind, ob es die Diskussion um das Denkmal geht, die Trans*-Beratungsstelle, die SCHLAUE Aufklärungsarbeit. Auch das PULS wurde eingerichtet, weil es notwendig war, ein Jugendzentrum für LSBT*-Jugendliche zu haben. Als der Stadtrat und die Verwaltung erkannt haben, dass Regenbogenfamilien eher mehr als weniger werden, wurden die Mittel für die Fachstelle bei der AWO bewilligt. Die Sportvereine holen mit Unterstützung der Stadt die EUROGAMES 2020 nach Düsseldorf, die KG Regenbogen hat sich in das Brauchtum der Stadt eingeklinkt und ist nicht mehr wegzudenken. Nicht zu vergessen, die Diversity-Stelle in der Stadtverwaltung, die vieles möglich macht, kurze Wege aufzeigt. Also: Ja, eine eindeutige Vorreiterrolle!


9_ Welches Community-Projekt in Düsseldorf liegt dir besonders am Herzen?


Keines und alle! Jedes Projekt ist wichtig, weil damit Bedürfnisse befriedet werden. Und doch: das DenkMal zur Erinnerung an die Verfolgung und Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Trans* liegt mir besonders am Herzen. Über zehn Jahre ist die Idee nun alt, mit dem Werkstatttag im März haben wir hier gute Vorlagen gegeben, damit in Düsseldorf nicht nur an die Verfolgung und Diskriminierung erinnert wird, sondern auch an unsere Kraft, eigene Subkulturen wie das Valentino, das Café Rosa Mond, das LUSZD und viele andere Begegnungsorte aufzubauen, selbstbewusst lesbisch oder schwul und/oder bi oder trans* in Düsseldorf zu leben. Neben all dem Versteckspielen, dem Verneinen des eigenen Begehrens hat es auch immer die Power gegeben, sich zu feiern und für die eigenen Rechte zu kämpfen.


10_ Wie gefällt dir eigentlich „dq – düsseldorf queer“?


Auf der Webseite „düsseldorf queer“ kannst du dich schnell über das queere Düsseldorf informieren, die Seite ist übersichtlich gestaltet, bringt die Vielfalt rüber. Allerdings bekomme ich als Berufslesbe viele Infos frei Haus, da muss ich mir selten Infos zusammensuchen. Wenn dem mal nicht mehr so ist, werde ich häufiger auf „düsseldorf queer“ vorbeischauen.

 

Fragen: Oliver Erdmann